Wien - Der SPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Hannes Swoboda, fordert - ganz entgegen der von Parteichef Werner Faymann vorgegebenen Linie - einen Kommissar aus dem eigenen politischen Lager.

"Ich bin dafür, dass ein Sozialdemokrat Kommissar wird, und ich sehe auch gewisse Chancen dafür", sagte er der Tageszeitung "Österreich" (Donnerstagausgabe). Swoboda könnte sich aber auch einen Parteiunabhängigen für diesen Posten vorstellen.

"Kanzler kennt meine Meinung"

"Es gibt absolut keine Erbpacht der ÖVP, und es gibt auch die Notwendigkeit, in der Kommission ausreichend Sozialdemokraten zu haben. Ich will jedenfalls eine andere Kommission", macht Swoboda klar.

Ein roter EU-Kommissar sei sicher besser dafür geeignet, das "soziale Europa" in Brüssel zu vertreten. Angst davor, mit seiner Forderung zurückgepfiffen zu werden, hat Swoboda nicht: "Der Kanzler kennt meine Meinung - aber er hat der ÖVP aus meiner Sicht auch nie etwas versprochen."

ÖVP gelassen

Die ÖVP sieht den Wunsch des roten EU-Spitzenkandidaten "gelassen". ÖVP-Frontmann Ernst Strasser bezeichnete die Aussagen am Mittwoch in einer Aussendung "als Ergebnis von offensichtlich chaotischen Zuständen in der SPÖ".

Strasser: "Jetzt, drei Wochen vor der Europa-Wahl, tut Swoboda so, als wäre ihm Europa wichtig. Wir werten dies als Versuch eines farblosen Kandidaten, eine klare Linie in der Europa-Politik der Sozialdemokraten erkennbar zu machen."

Grüne fordern Hearing

Die Opposition will nun die Probe aufs Exempel machen. BZÖ-Spitzenkandidat Ewald Stadler kündigte am Donnerstag an, im Parlament die Entsendung eines unabhängigen EU-Kommissars zu beantragen. Und seine Grüne Kollegin Ulrike Lunacek will ihren Vorschlag eines Dreier-Hearings im Hauptausschuss neuerlich zur Diskussion stellen.

Lunacek forderte nun auch die ÖVP auf, ihren Widerstand gegen Hearing und Dreiervorschlag aufzugeben. Sie verwies darauf, dass die Volkspartei bereits in Sachen Rederecht für Europa-Abgeordnete und Öffentlichkeit der Ratsbeschlüsse auf die Linie der Grünen eingeschwenkt sei.

BZÖ für unabhängigen Kandidaten

Stadler betonte, das BZÖ wolle mit seinem Vorschlag eines unabhängigen EU-Kommissars verhindern, dass der frühere Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP) in diesen hoch dotierten Posten gehievt werde. Die Orangen können sich stattdessen vorstellen, dass eine kompetente Person wie etwa der frühere Rechnungshofpräsident Franz Fiedler oder der frühere VfGH-Präsident Ludwig Adamovich die Interessen Österreichs in der Kommission vertritt.

FPÖ glaubt Swoboda nicht

Der freiheitliche EU-Spitzenkandidat Andreas Mölzer nimmt seinem SPÖ-Kollegen Hannes Swoboda dessen Eintreten für einen roten oder unabhängigen EU-Kommissar nicht ab. Swoboda wolle damit "den Österreichern Offenheit und Transparenz vorgaukeln. Aber nach der EU-Wahl wird wieder alles anders sein. Dann nämlich werden sich Rot und Schwarz wieder auf ihre Proporz-Abmachungen für die EU-Ebene besinnen: Die SPÖ darf mit der ehemaligen Justizministerin Maria Berger die österreichische EuGH-Richterin stellen und die ÖVP eben den heimischen EU-Kommissar", meinte Mölzer in einer Aussendung. (APA)