Frankfurt/Main (APA/dpa) - Die Konjunktur im Euro-Raum hat sich nach Angaben der Europäischen Zentralbank (EZB) im ersten Quartal 2009 "wesentlich stärker" eingetrübt als im März erwartet. "Zuletzt waren in Umfragedaten erste Anzeichen einer Stabilisierung zu erkennen, wenngleich auf sehr niedrigem Niveau", schreibt die Notenbank in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Monatsbericht Mai.

Nach den EZB- Prognosen dürfte sich die Wirtschaftstätigkeit heuer weiterhin sehr schwach entwickeln. Eine allmähliche Konjunkturerholung werde erst 2010 einsetzen. Hoffnung schöpft die EZB unter anderem aus den seit Sommer 2008 deutlich gefallenen Rohstoffpreisen, die den Konsum ankurbeln dürften.

Ungeachtet kurzfristiger Schwankungen dürfte die Teuerung in der Euro-Zone nach Ansicht von Analysten längerfristig im Zielbereich der Europäischen Zentralbank (EZB) bleiben. Professionelle Beobachter der Geldpolitik der EZB erwarten im Jahresschnitt 2010 einen leichten Anstieg der Teuerung auf 1,3 Prozent. Danach werde die Inflation bei etwa 1,9 Prozent liegen, geht aus dem am Donnerstag in Frankfurt veröffentlichten Monatsbericht der Notenbank hervor. Dieser enthält alle drei Monate auch eine Umfrage der EZB unter professionellen Kommentatoren ihrer Geldpolitik (Survey of professional forecasters).

Preisstabilität

Die EZB sieht bei einer Teuerung von knapp unter 2 Prozent Preisstabilität gegeben. In der Umfrage prognostizieren die Experten heuer eine Teuerung von 0,5 (Februar-Umfrage: 0,9) Prozent. Für 2010 erwarten sie 1,3 Prozent nach zuvor 1,6 Prozent. Damit scheinen Befürchtungen unbegründet, die Wirtschaft könne in eine Deflationsspirale mit fallenden Preisen auf breiter Front und anschließend sinkender Nachfrage und Investitionsbereitschaft geraten. Auch die Angst, dass die Inflation durch die expansive Geldpolitik der EZB auf längere Sicht ansteigen könnte, teilen die befragten Ökonomen offenbar nicht.

Sie rechnen aber - ebenso wie die meisten internationalen Organisationen und Regierungen - im kommenden Jahr mit einer sehr langsamen Erholung der Konjunktur in den Ländern der Euro-Zone. 2009 werde die Wirtschaftsleistung zwar um 3,4 (1,7) Prozent schrumpfen, 2010 aber dann immerhin um 0,2 Prozent wachsen.

Trendumkehr

Bei der Februar-Umfrage waren die von der EZB befragten Experten allerdings noch optimistischer und hatten für das kommende Jahr ein Plus von immerhin 0,6 Prozent vorhergesagt. Den Arbeitern und Angestellten bringt diese Trendumkehr freilich zunächst noch nichts, weil die Unternehmen in der Regel mit Verzögerung auf ein verändertes wirtschaftliches Umfeld reagieren.

Im Vorwort zum Monatsbericht bekräftigte die EZB frühere Aussagen ihres Präsidenten Jean-Claude Trichet. Die Notenbank hatte vergangene Woche ihren Leitzins auf das neue Rekordtief von einem Prozent gekappt und überraschend den Ankauf von Pfandbriefen angekündigt. Sie will auf diese Weise den von der Finanzkrise besonders hart getroffenen Pfandbriefmarkt wieder beleben, den Banken die Refinanzierung erleichtern und so eine gefährliche Kreditklemme verhindern.

Die derzeitige Wirtschaftskrise könnte nach Einschätzung von EZB-Vizepräsident Lucas Papademos früher als ursprünglich erwartet zu Ende gehen. Es gebe eine zunehmende Zahl positiver Signale, die darauf hindeuteten, dass sich die Konjunktur stabilisiere. Deshalb sei eine Erholung eventuell früher möglich, sagte Papademos am Donnerstag bei einer Konferenz der Österreichischen Nationalbank in Wien.

Die EZB hatte ihren Leitzins vergangene Woche im Kampf gegen die schwerste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten auf 1 Prozent gekappt und überraschenderweise weitere Zinssenkungen in den kommenden Monaten nicht völlig ausgeschlossen. Papademos sagte, es sei notwendig, die eingeleiteten Maßnahmen, Zinssenkungen und Liquiditätsspritzen sowie den kürzlich angekündigten Ankauf von Pfandbriefen bei einer Erholung der Konjunktur wieder zurück zu fahren. Richtschnur aller Entscheidungen werde die Sorge um die Preisstabilität in der Währungsunion sein. (APA)