Berlin - "Übrigens: Ich bin schwul, und das ist auch gut so!" Dieser Satz, gesprochen vom Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), ist wohl das berühmteste Coming-out, das Deutschland je erlebt hat. Im Jahr 2001 geschah es, auf einem SPD-Landesparteitag. Wowereit und seine Strategen hatten zuvor erfahren, dass Medien seine Homosexualität zum Thema machen wollten. Also nahm "Wowi" ihnen den Wind aus den Segeln - und hat es bis heute nicht bereut.

Auch andere Spitzenpolitiker in Deutschland erklären, dass sie sich leichter taten, als sie sich zu ihrer Homosexualität bekannten. "Ein Politiker gewinnt, wenn er den Bürgern da mit Ehrlichkeit begegnet", sagt Volker Beck, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen - wenngleich auch er unschöne Erfahrungen machte: Als er Ende der Achtzigerjahre in den Bundestag einzog, stöhnten Kollegen auf seinen Anrufbeantworter.
Parteichef "Schwesterwelle"

Eine "ordentliche" First Lady

Wowereit bekam im Berliner Wahlkampf 2006 ebenfalls sein Fett ab: Der mit einer Frau verheiratete CDU-Spitzenkandidat Friedbert Pflüger höhnte, er wolle schon allein deswegen unbedingt Bürgermeister werden, damit Berlin endlich wieder eine ordentliche First Lady bekomme. Und FDP-Chef Guido Westerwelle wird hinter seinem Rücken schon mal als "Schwesterwelle" tituliert.

Doch wegen seiner Homosexualität wird in Deutschland kein Politiker offen von einem anderen angegriffen. Einer hat es mal versucht: 2003 wollte der umstrittene Hamburger Innensenator Ronald Schill Bürgermeister Ole von Beust (CDU) mit dessen bis dahin noch verheimlichter Homosexualität erpressen. Beust fackelte nicht lange und warf Schill aus dem Senat.

"Wer heute versucht, Schwule zu erpressen oder zu diskriminieren, stellt sich selbst ins gesellschaftliche Abseits", sagt der Politologe Lothar Probst. Denn in Deutschland akzeptiert eine brei- te Mehrheit schon längst, "dass Homosexuelle selbstverständlich gleiche Rechte haben." (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD/Printausgabe 16.5./17.5.2009)