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Nach dem Rücktritt des als liberal eingestuften Richters David Souter wurde erwartet, dass US-Präsident Barack Obama eine/n liberale/n NachfolgerIn ernennt. Außerdem stand er unter Druck, erstmals ein Mitglied der Hispanics - der größten Minderheit des Landes - und eine Frau zu ernennen, da es derzeit nur eine Oberste Richterin gibt. Mit der Nominierung von Sotomayor erfüllte Obama diese Forderungen.

Foto: APA/AP/Pablo Martinez Monsivais

Washington - Die US-Bundesrichterin Sonia Sotomayor soll in den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten aufrücken. US-Präsident Barack Obama nominierte die Juristin lateinamerikanischer Abstammung am Dienstag als Nachfolgerin des zurückgetretenen Richters David Souter (69). Nach ihrer Bestätigung im Senat wäre die 54-Jährige das erste Mitglied der hispano-amerikanischen Bevölkerungsgruppe im Supreme Court und die zweite Frau unter den neun RichterInnen des Gremiums.

"Mir zerspringt das Herz vor Dankbarkeit", sagte Sotomayor nach ihrer Nominierung. Dies sei für sie die größte Ehre ihres Lebens, die sie zugleich mit tiefster Demut erfülle.

Wertvolle Ergänzung

Obama würdigte Sotomayor als "beeindruckende Frau", die eine "große Richterin" abgeben werde. Obama hob besonders hervor, dass seine Kandidatin aus ärmsten Verhältnissen stamme. Als Anwältin gerade der einfachen BürgerInnen werde sie eine wertvolle Ergänzung für das Oberste Gericht sein. Sotomayor betonte: "Ich bin stets darum bemüht, nie zu vergessen, welche Konsequenzen meine Entscheidungen in der realen Welt haben können."

Berühmt wurde Sotomayor 1995, als sie mit einem Urteil den Schlussstrich unter einen Streik der Baseball-Profis zog, wegen dem die Fans einer der beliebtesten Sportarten in den USA fast ein Jahr lang ohne Spiele ausharren mussten. "Einige sagen, das Richterin Sotomayor Baseball gerettet hat", sagte Obama bei der Bekanntgabe der Nominierung im Weißen Haus.

Enorme richterliche Erfahrung

Die 54-Jährige, die seit ihrer Kindheit an Diabetes leidet, wuchs in einer Sozialbausiedlung der New Yorker Bronx auf, wohin ihre Eltern aus Puerto Rico gezogen waren. Ihr Vater starb, als sie neun Jahre alt war. Schon als kleines Mädchen wollte sie Richterin werden und lernte in der Schule fleißig, um sich diesen Traum erfüllen zu können. Sotomayor studierte in Princeton und Yale und arbeitete später als Staatsanwältin und private Rechtsanwältin.

Zur Bundesrichterin wurde sie 1992 vom republikanischen Präsidenten George Bush senior berufen. Dessen demokratischer Nachfolger Bill Clinton ernannte sie 1997 zur Berufungsrichterin. Während ihrer 17-jährigen Tätigkeit als Juristin brachte sie mehrere in Korruptionsaffären verwickelte ranghohe Persönlichkeiten hinter Gitter. In Diskriminierungsfällen schlug sie sich häufig auf die Seite der KlägerInnen. Nach Regierungsangaben verfügt sie über größere richterliche Erfahrung als jede/r andere JuristIn, der in den vergangenen 70 Jahren in den Supreme Court geschickt wurde.

"Persönliche politische Agenda"

KollegInnen beschreiben die geschiedene kinderlose Frau als brillante Juristin. KritikerInnen bemängeln, dass viele ihrer Entscheidungen vom Supreme Court wieder aufgehoben wurden, etwa bei Urteilen gegen Unternehmen. "Extrem viele ihrer Entscheidungen wurden aufgehoben", sagte etwa die Vertreterin eines konservativen Justiz-Netzwerks. Dies deute daraufhin, dass Sotomayor ihre "persönliche politische Agenda" über das Gesetz stelle. Der Fraktionschef der Republikaner im Senat, Mitch McConnell kündigte eine "gründliche Prüfung" von Sotomayors Bewerbung an.

Die Anhörungen von Supreme-Court-Kandidaten im Senat bieten traditionell viel Konfliktstoff für die Parteien. Da Obamas Demokraten in der US-Parlamentskammer über eine deutliche Mehrheit verfügen, wird an einer Bestätigung Sotomayors nicht gezweifelt.

Verjüngungskur

An der politischen Ausrichtung des Obersten Gerichtshofs würde sich wenig ändern, da auch Souter als relativ liberal galt. Sotomayor würde den liberalen Flügel des US-Höchstgerichs lediglich verjüngen. Unter Ex-Präsident George W. Bush, der mit John G. Roberts (54) auch den jetzigen Vorsitzenden ernannte, rückte der Supreme Court nach rechts.

Die Obersten RichterInnen bleiben bis zu ihrem Tod bzw. Rücktritt im Amt. Somit kann der jeweilige US-Präsident seine Politik noch lange über seine eigene Amtszeit hinaus beeinflussen. Im Vergleich zu anderen Ländern nimmt das US-Höchstgericht enormen Einfluss auf die gesellschaftliche Grundströmung des Landes. Es schrieb wiederholt Rechtsgeschichte, etwa durch Urteile zur Gleichberechtigung von Schwarzen, zur Todesstrafe und zur Legalisierung der Abtreibung. (APA/Ag.)