Die Festbeleuchtung dient als Tarnung für ideologische Graben-kämpfe im Brut Künstlerhaus

Photo: Valentino Saldivia

Wien - Kein Schuss fällt im Krieg, der Chile ideologisch zerfetzt. Stattdessen zerreißen Schreiduelle die Festtagsstille in Diciembre. Im zweiten Teil seiner auf Spanisch gespielten Theatertrilogie rechnet Guillermo Calderón im Künstlerhaus mit der gegenwärtigen Innenpolitik in seiner Heimat Chile ab.

Zerrüttet durch politische Grabenkämpfe, hocken drei Geschwister im Dezember 2014 an der bunt erleuchteten Festtafel. Das Regime hat sich gegenüber den Nachbarvölkern als Herrenrasse deklariert, ein Weltkrieg droht, Teheran wurde bereits atomisiert.

Calderón transferiert den Umgang mit der jüngeren Vergangenheit in den aufgeriebenen Familienverband. Darüber, ob und wie sehr man seine Heimat lieben darf, wird gestritten. Calderón arbeitet damit die Inanspruchnahme des Nationalstolzes durch die Faschisten auf. Für den Regisseur schwingen deren Ideologien in der aktuellen Politik Chiles immer noch mit, etwa beim Umgang mit peruanischen Einwanderern.

Militanter Weihnachtsmann

In spürbarer gegenseitiger Verachtung warten die drei Streithähne auf den Weihnachtsmann. Doch dieser bringt kein Geschenk, sondern einen von ihnen, den Bruder (Jorge Eduardo Becker), in die Kaserne. Seine beiden schwangeren Schwestern lieben ihn, wollen sich für ihn einsetzen, jede auf ihre Art. Paula (Paula Zúñiga) will den einzigen Mann der Familie mit patriotischen Formeln zum Endsieg gegen die Peruaner peitschen. Sie beschwört seine rassische Überlegenheit als Chilene, die hohlen Phrasen klingen in Österreich vertraut.

Die zweite Schwester, Trinidad (Trinidad González) flüchtete nach dem Tod ihrer Eltern aus dem gemeinsamen Haus. Auf Weltreisen entwickelte sie einen fatalistischen Selbsthass als Chilenin; der Patriotismus, der aus ihrer Schwester quillt, ist ihr verhasst. Sie plant, den Bruder vor der kommenden Offensive zu verstecken. Die Frauen spielen mit dem Gedanken, einander und ihre ungeborenen Kinder zu ermorden - die sie wie Weihnachtsgeschenke für den Bruder vor sich hertragen.

Jorge fühlt sich beiden im Wort und wählt einen faulen Kompromiss. Widerwillig zieht er in den verhassten Krieg. Die Realität im Schützengraben ist ihm vertrauter als die Weltanschauungen seiner verblendeten Schwestern. Unschuldig wie das stumme Jesuskindlein, will er sich nur mehr von den Kameraden lieben lassen.

Mit Diciembre trifft Calderón den Nerv des heimischen Publikums präziser als mit dem bereits aufgeführten, ersten Teil der Trilogie, Neva. Als zeitgenössischer Theatermacher wolle er nicht zu einer "nie gehörten Generation" Chiles gehören, sondern politische Fragen thematisieren - diese haben auch in Wien ihre Gültigkeit. (Georg Horvath / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.5.2009)