Zwei Ämter unter einem Dach: Johannes Hahn, bekannt als Minister, Geheimtipp als Wiener VP-Chef, beim Wahlkämpfen.

Foto:STANDARD/Fischer

Wien - Johannes Hahn geht bedächtig über den Naschmarkt und schüttelt Hände. Die frühsommerliche Hitze scheint ihm nichts anzuhaben, keine Schweißtropfen auf der Stirn, keine Knitterfalten im Hemd, nur gepflegte, höfliche Bürgerlichkeit. Hahn unterhält sich mit den Standlern und verteilt artig ÖVP-Werbefolder zur EU-Wahl. Ein eben mit Handshake bedachter Gemüsestandler weiß genau, von wem er da geschüttelt wurde: "Vom Wissenschaftsminister." Dass Hahn auch Obmann der Wiener ÖVP ist, interessiert den Mann, zwischen Gurken und Zucchini, nur am Rande: "Aha."

So geht es, zum Kummer manchen Wiener ÖVP-Funktionärs, oft, wenn Johannes Hahn auftritt: Als Minister ist der 52-jährige Politiker wohlbekannt, und seine Cern-Schlappe hat dies womöglich noch befördert. Als Chef der Wiener ÖVP nimmt ihn dagegen kaum jemand wahr - dabei ist er das bereits seit fünf Jahren. Als Wiener ÖVP-Chef schaffte er bei der vergangenen Gemeinderatswahl sogar ein leichtes Plus von 2,4 Prozent. Die Stadt-Schwarzen halten nun bei 18,8 Prozent, die 2005 nach der Haider-Abspaltung noch reichlich desorientierte FPÖ bekam "nur" 14,8 Prozent, die SPÖ legte damals sogar zu und erreichte (fast) absolute 49,1 Prozent.

Wenig Interesse

Johannes Hahn sagt, er lebe ganz gut als Politiker mit zwei Identitäten. "Die eigenen Leute nehmen mich mehr als Minister wahr" , sagt er, "vielleicht liegt das daran, dass die bürgerlichen Wiener eigentlich wenig Interesse an der Kommunalpolitik haben." Das ist freilich bitter für den Mann, der, "wenn es geht" , gern "Bürgermeister werden" würde - wenn nötig, auch mit blauer Hilfe. Für seine diesbezüglichen Ansagen ("Regenbogenkoalition gegen Häupl" ) haben ihn die anderen Parteien herzhaft geprügelt. Die eigene Wiener Basis hält (noch) interessiert still und beobachtet eifersüchtig, ob und wie viel sich der Minister auch als Wiener Konservativer präsentiert. Dass er nicht an Gemeinderatssitzungen teilnimmt, ist natürlich Dauerthema in den schwarzen Wiener Kreisen. Hahn ist das wohl bewusst - derzeit tourt er durch die Bezirke, um sein Obmann-Präsenz-Defizit auszugleichen. Wohl nicht zu früh, denn Wien flirrt vor Neuwahlgerüchten.

Bis zum Wahltag sollte den Wienern jedenfalls bekannt sein, dass Hahn nicht nur Minister ist. Rollenverwirrung rund um ihren Obmann ist in bürgerlichen Kreisen ein bekanntes Phänomen, "mir ist es ähnlich gegangen" , scherzt Erhard Busek, einer von Hahns Vorgängern. Auch Busek war ein halbes Jahr lang gleichzeitig Wissenschaftsminister und Wiener VP-Chef: "Bei mir ist das auf Dauer nicht gut gegangen."

Busek, der die Stadt-Partei rigoros modernisieren wollte, scheiterte nicht zuletzt am Widerstand der Wiener Funktionäre - zum Teil immer noch derselben, die auch heute noch das Sagen haben. Doch diesmal sei es anders, wird ÖVP-intern beteuert. "Gio Hahn ist unsere Hoffnung für die Zukunft" , zwitschert etwa der Döblinger Bezirksvorsteher Adolf Tiller.

So wurde Hahn am Routine-Parteitag am Donnerstag in der Wiener Messe nicht nur mit einer komfortablen Mehrheit, sondern auch mit einem unverblümten Rat ausgestattet: "Wir erwarten uns, dass wir im Wahlkampf noch viel besser eingebunden werden" , sagt Tiller.

Dass Hahn den neuen JVP-Chef Sebastian Kurz und die in den Nationalrat abgewanderte Katharina Cortolezis-Schlager als Vize-Obleute installierte, stieß in Bezirkskaiser- und Funktionärskreisen vorerst auf wenig Gegenliebe. "Die wollten nie etwas verändern" , ätzt ein Ex-Funktionär.

Recht machen kann es Hahn als Wiener Parteichef ohnehin nur schwer: Als er zu Beginn dieses Jahres einmal in einem Presse-Gespräch eine Stadtkoalition mit Strache ausschloss, weil dieser die Menschen "aufhetze" , hagelte es Protest-E-Mails aus eigenen Reihen. Tenor: Man dürfe es sich mit der FPÖ nicht verscherzen. Hahns Kehrtwende im April war einigen doch zu viel: Viele ÖVP-Anhänger wünschten eine deutliche Abgrenzung - gerade von Hahn, der stets bemüht ist, das liberal-urbane Element in der ÖVP zu verkörpern. Doch der sagt nur: "Ein Wettbewerb unter den Parteien, wer der bessere Juniorpartner für die SPÖ ist, wäre die pure Trostlosigkeit."

Seniorensprecherin Ingrid Korosec, die Hahn erst kürzlich wieder "verstärkt in die Partei einbinden" wollte, stößt in dasselbe Horn: "Die Wiener ÖVP will den roten Bürgermeister weg haben. So viele Jahrzehnte SPÖ-Regierung sind genug. Das sehen alle in der Partei so."

Halbzeitlösung

Da könnte sich Korosec allerdings irren. Bezirksvorsteher Tiller, immerhin auch schon seit 30 Jahren im Amt, spinnt seine eigene Zukunftsvision für den Tag nach der Wahl: "Wir sollten eine Halbzeitlösung mit der SPÖ anstreben." Erst sollte Häupl das Bürgermeisteramt weiterführen. Nach zweieinhalb Jahren sollte Hahn übernehmen. Tiller: "Häupl hätte dann einen ehrenhaften Abgang." Eine reizvolle Vorstellung: Johannes Hahn hätte bis dahin noch eine dritte Rolle zu spielen - die des Bürgermeisters in spe. (Petra Stuiber, DER STANDARD-Printausgabe, 29.5.2009)