ModeratorIn: Wir begrüßen herzlich Hans-Peter Martin im Chat und bitten die UserInnen um ihre Fragen.

Hans-Peter Martin: Es freut mich sehr. Neben mir sitzt auch Mag. Martin Ehrenhauser, mit dem ich seit Jahren in Brüssel zusammenarbeite und der hoffentlich auch am 7. Juni auf unserer Liste gewählt werden wird: Martin plus Martin.

pizarro: Ist es langweilig in der EU so im Abseits zu stehen, oder liegt Ihnen die Rolle eines Angreifers am besten?

Hans-Peter Martin: Langweilig wird uns nie. Und wir haben beide einen Zug zum Tor.

pizarro: SIe gelten ja als heftiger Kritiker innerhalb der EU, wie wollen Sie sich mit Ihrem "Ansehen innerhalb des Parlamentes" gehör verschaffen ohne nicht gleich den Stempel eines Querolanten aufgedrückt zu bekommen. Sie wollen ja was bewegen, dazu brauch

Hans-Peter Martin: Das Konzept ist: Als glühender Pro-Europäer muss man die notwendige EU-Kritik äußern, darf sie nicht Rechtsaußen überlassen. Dann öffentlicher Druck über die internationalen Medien, so entsteht Veränderungsdruck im Parlament. Ziel muss immer sein: mehr Demokratie, endlich Verantwortlichkeit in den EU-Institutionen, die EU endlich dort einzusetzen, wo sie so dringend gebraucht würde: Regulierung der Finanzmärkte, Klimafragen - aber weg von absurder Regelwut.

Andreas A.: Wann haben Sie beschlossen erneut bei der EU-Wahl anzutreten?

Hans-Peter Martin: Das war ein Prozess: Umfragen zeigten, dass ohne eine unabhängige Bürgerliste Martiin die Rechtsaußen deutlich mehr Prozente bekämen. Außerdem wartete ich auf faire Auftrittsmöglichkeiten im ORF. Endgültige Entscheidung nach Ostern.

merchant_87x: Nachdem Faymann schon vorgeworfen wurde sich durch Dichand wo hinhieven zu lassen - machen sie das ja auch (und im Gegensatz zu ihm länger) - glauben sie nicht auch, dass es bessere Möglichkeiten gäbe sich zu verbreiten als den Dichand als "Steigbüg

Hans-Peter Martin: Mein "Grundsatzprogramm" ist unser Buch "Die Globalisierungsfalle" (1996 erschienen). Da bin ich mir treu geblieben. Nach dem EU-Wahlerfolg 2004 mit 14% verwehrte der ORF Sendeteilnahmen, 2005 nahm ich dann erst das schon länger bestehende Angebot von Herrn Dichand an, regelmäßig in der "Krone" zu schreiben - ohne Einflussnahme. Auch der Kampf gegen Hainburg und der Einzug der Grünen in den Nationalrat vor 20 Jahren wäre ohne Forum in der "Krone" so nicht möglich gewesen.

Manfred Bieder: Sg Herr Martin. Sie sprechen sich immer für Transparenz aus. Könnten Sie offen darlegen, wieviel Sie mit Ihrer Tätigkeit in der Kronen Zeitung und Ihrem neuen Buch verdienen?

Hans-Peter Martin: Selbstverständlich. Für alle Beiträge in der "Krone" bekomme ich keinerlei Honorar. Das Buch ist noch in der ersten Auflage, die Recherchekosten überwiegen bislang bei Weitem die zu erwartenden Honorare. Außerdem verteilen wir mehrere tausend Stück gratis im Wahlkampf.

pizarro: Trifft Sie der Vorwurf ein Populist zu sein und wie wollen Sie aus dieser Rolle wieder herauskommen?

Hans-Peter Martin: Ja, dieser Vorwurf trifft, da ich doch im Gegensatz zu vielen anderen herkömmlichen Politikern meinen Grundsätzen treu geblieben bin. Allerdings hat der Göttinger Parteienforscher Franz Walter im "Spiegel", für den ich selbst 15 Jahre als Redakteur und Korrespondent tätig war, detailliert herausgearbeitet, dass der populismus Vorwurf jede neue poitische Bewegung getroffen hat - von den Liberalen im 19. Jahrhundert über die Sozialisten bis zu den Grünen. Wir stehen jetzt für ein Aufbrechen der verknöcherten Parteienlandschaft, wollen gerade auf EU-Ebene Persönlichkeitswahlen und endlich Volksabstimmungen zu wesentlichen Fragen.

salzstangerl1: Sie regen sich über Glübirnen auf aber das EU Parlament zieht jeden Monat um, von Brüssel nach Strassburg und wieder zurück, was mehrere 100 Millionen € verursacht. Warum sprechen Sie nicht die wichtigen Missstände an?

Hans-Peter Martin: Gerade den Wanderzirkus Brüssel-Strassburg habe ich immer wieder international zum Thema gemacht. Auch den Ankauf der Strassburger Gebäude, die Asbest verseucht waren, etc. Die Glühbirnen sind jetzt doch nur ein Symbol für Regelwut und eine falsche Maßnahme für ein richtiges Ziel. Außerdem sagen sehr viele Menschen, denen Martin und ich die Glühbirnen in die Hand drücken gleich von sich aus: " Ah ja, damit uns allen ein Licht aufgeht"...

Meridian: In Bezug auf die Finanzkrise: Welche konkreten Maßnahmen schlagen sie vor, um ein nachhaltiges System zu schaffen, in dem sich die Produktion von nützlichen Gütern oder die Bereitstellung sinnvoller Dienstleistungen auch finanziell mehr lohnt, als

Hans-Peter Martin: 1. Herstellung von Transparenz und Einblick für zumindest EU-weite Kontrolleure in die grenzüberschreitend tätigen Banken, damit Eindämmung der Schattenbankwirtschaft. 2.Eine globale Finanzarchitektur, wie schon in der "Globalisierungsfalle" gefordert. Wechselkurssysteme aufbauend auf Bretton Woods. 3. Rückkoppelung der spekulativ eingesetzten Geldmengen in ein sinnvolles Verhälltinis zur realen Güterproduktion. 4. Völlig andere steuerliche Anreize, also Transportkostenwahrheit, Entsteuerung gerade von sozial nützlichen Dienstleistungen. 5. Die parlamentarische Intergroup "Tobin Tax" habe ich 1999 gemeinsam mit Harlem Desir und Glyn Ford in Strassburg gegründet - Stichwort Devisentransaktionssteuer. Leider hat die sozialdemokratische EU-Fraktion diese Initiative bis vor kurzem noch nicht unterstützt - Lobbydruck auf Labour, die SPD, aber auch österreichische Sozialdemokraten.

D.P.: Sehr geehrter Herr Martin! Sie haben im EP in der ersten Lesung für die Annahme der geplanten Asylrechtslinie gestimmt. Wie lässt sich das mit dem Engagement der Kronen- Zeitung vereinbaren, die sehr stark gegen diese Richtlinie mobil macht. Ist das

Hans-Peter Martin: Nein. Ich schreibe in der "Krone", bin aber von der Redaktion völlig unabhängig. Gerne würde ich auch wieder regelmäßig im "Standard" schreiben dürfen und gemeinsam mit Martin Ehrenhauser unsere Ansichten vertreten.

merchant_87x: Welcher Richtung ordnen Sie sich politisch selbst zu - nachdem sie ja unter anderem die (Protest?)Stimmen von Rechtsaußen im Auge habe?

Hans-Peter Martin: Gerade im EU-Parlament verfließen Fraktionsgrenzen, da geht es um Sachfragen. Mein politisches Profil ergibt sich aus mehr als 50 000 Abstimmungsteilnahmen in den vergangenen 5 Jahren, darunter 6000 namentlich erfasste Abstimmungen. Im Gegensatz zu den Sozialdemokraten trete ich bedingungslos gegen jede EU-Aufrüstung ein (wie etwa die Linken), bin aber gegen überbordende Bürokratie und Funktionärswirtschaft (im Gegensatz zu den Linken), bin für eine sinnvolle Asylrichtlinie (im Gegensatz zu der in dieser Frage unverständlich agierenden ÖVP und auch Hannes Swoboda von der SPÖ). Ich teile viele gesellschaftspolitische Auffassungen der Liberalen, nicht aber deren Wirtschaftsliberalismus. In Ökofragen stimme ich meistens mit den Grünen, finde aber ihre Funktionärsherrschaft zum... (Voggenhuber). Demokratiepolitisch stimme ich gegen die gegenwärtigen EU-Grünen für Volksabstimmungen und gegen den Lissabon-Vertrag. Niemals ist das Stimmverhalten von Mölzer, Le Pen und Lookalikes irgendeine positive Orientierung. Im Gegenteil: Wehret den Anfängen!

Barney_Stinson: Welche Position vertreten Sie in der Diskussion um den EU Beitritt der Türkei?

Hans-Peter Martin: Die Position des deutschen Ex-Kanzlers Helmut Schmidt, der in der "Zeit" schrieb "Nein, sie passen nicht dazu". Argument Türkeibeitritt überfordert EU, Integration der bereits hier lebenden Türken dann fast unmöglich, auch geografisch ist die Türkei nur zum kleinsten Teil europäisch (siehe auch Argument Voggenhuber).

justhavedoneit: Können Sie mit gutem Gewissen behaupten nie Teil dieses "Abzockersystems" gewesen zu sein und wenn ja, wie konnten Sie sich solche Einblicke in das Gagensystem der EU verschaffen (vor allem als Sie noch kein Parlamentarier waren). In Bezug auf Sie h

Hans-Peter Martin: Einblick bekam ich erst als Parlamentarier und das nur Zug um Zug. Nachweislich habe ich in den vergangenen 10 Jahren auf mehr als 700 000 € netto verzichtet, die mir zugestanden wären - etwa EU-Luxuszusatzpension, Reisekostenpauschalen, Tagegelder. Ich halte mich an meinen veröffentlichten Ehrenkodex - siehe www.eti.info

luke feat coke&e: laut österreich-bericht würden sie von einem wahlsieg profitierien da sie nur 500.000 euro für ihren wahlkampf ausgeben jedoch wesentlich mehr an förderung zurück bekommen, was wollen sie mit den überschüssigen geld machen ?

Hans-Peter Martin: Noch ist völlig unklar, wieviel Prozent wir bekommen werden. Es ist uns ein großes Anliegen, dass neben mir auch Martin Ehrenhauser und hoffentlich sogar ein dritter unabhängiger Bürger auf der Liste Martin ins EU-Parlament gewählt wird. Darum habe ich jetzt auch noch einen Kredit aufgenommen. Am Ende wird man sehen. Selbstverständlich werden die Gelder immer widmungsgemäß verwendet, das wird ja auch von Wirtschaftsprüfern, die vom Finanzministerium bestellt werden, bei allen wahlwerbenden Gruppen geprüft.

Lilith_20: Auf wie viele Mandate hoffen Sie?

Hans-Peter Martin: Unser Traumergebnis: SPÖ 5 - damit Christa Prets aus dem Burgenland und Herbert Bösch als Mitglieder des skandalösen EU - Luxuspensionsfonds nicht gewählt , wohl aber der beeindruckende Professor Weidenholzer aus Linz und natürlich die Gewerkschafterin Evelyn Regner. ÖVP - 6, mit dem fleißigsten aller österreichischen EU-Abgeordneten Othmar Karas über Vorzugsstimmen auf ÖVP Platz 1. Liste Martin 3 Grüne 1 Sonstige 2

Sandwurmsurfer Shai Hulut: Wenn Sie den Einzug ins EU Parlament nicht schaffen sollten, haben Sie schon einen Alternativplan für Ihren beruflichen Werdegang?

Hans-Peter Martin: Selbstverständlich, schon als internationaler Buchautor habe ich vor meinem Einstieg in die Politik 1999 sehr gut verdient, muss mir keine Sorgen machen. Darum würde ich mich um das Wichtigste aller Themen kümmern: Soccer is life - the rest is just details. Konkret die Arbeit von erfolgreichen Fussballtrainern interessiert mich sehr. Aber das kann noch gut 5 Jahre warten, jetzt hoffe ich sehr auf "Martin plus Martin" im EU-Parlament bis 2014.

Nope: Frage an Herrn Ehrenhauser: Hat es Sie nicht abgeschreckt, dass alle ehemaligen Partner von Herrn Martin aus vergangenen Wahlkämpfen die Zusammenarbeit mit ihm aufgekündigt haben?

Hans-Peter Martin: Ich arbeite seit mehr als 3 Jahren sehr intensiv mit Hans Peter zusammen. In dieser Zeit haben wir uns zu einem sehr eingespielten Team entwickelt. Wir ergänzen uns ausgezeichnet.

ModeratorIn: Die Stunde ist auch schon wieder vorbei. Leider konnten nicht mal annähernd alle Fragen beantwortet werden. Herzlichen Dank an Hans-Peter Martin fürs Kommen und an die User und Userinnen fürs Mitchatten. Allen noch einen schönen Nachmittag und viel

Hans-Peter Martin: Danke herzlich für die Fragen. Bitte neugierig und kritisch bleiben - und bitte unbedingt zur Wahl gehen, auch wenn Sie uns nicht wählen sollten. Ciao.