Brüssel/Wien - Die Europäische Union sei eine bewährte Krisenfeuerwehr, das wird in diesen Wahlkampftagen gerne propagiert. Aber stimmt es auch? Wie oft in EU-Angelegenheiten lautet die Antwort: ein klares Jein.
Ist die europäische Feuerwehrhalle durchaus groß angelegt, entsprechen nicht alle Löschfahrzeuge darin den Erfordernissen, mit einer Wirtschaftskrise wie der gegenwärtigen umzugehen. Der effektivste Brandhemmer, den die Union hat, ist mit Sicherheit der Euro. In den vergangenen Monaten hat er verhindert, dass europäische Währungen so absacken wie der ungarische Forint (in schlechtesten Zeiten verlor er gegen den Euro ein Fünftel seines Wertes). Noch schlimmer traf es die Ukraine und Island, die lieber heute als morgen in die Union und vor allem in den Euroraum eintreten würden. Es bedarf nicht viel an Fantasie, um sich auszumalen, was mit dem österreichischen Schilling - Stichwort: Risiko der österreichischen Banken im Osten - passiert wäre, würde es ihn noch geben.

Mit Gartenschlauch ...

Gegen den Euro fallen alle anderen europäischen Instrumente naturgemäß einigermaßen ab. Bei ihrem Krisengipfel im März hat die Union in Brüssel gerade einmal fünf Milliarden Euro für zukunftsweisende Infrastruktur- und Energieprojekte bereitgestellt. Selbst wenn die Wirtschaftsmalaise von der Europäischen Union als Konjunktur- und nicht als tiefgehende Strukturkrise begriffen würde, wäre dies als Antwort so, als würde jemand mit dem Gartenschlauch auf ein Haus im Vollbrand spritzen.

... und ohne Spielraum

Wie immer in entscheidenden Fragen haben die Nationalstaaten der EU-Kommission, deren in den vergangenen Jahren nicht eben durch besondere Führungsstärke aufgefallener Präsident José Manuel Barroso auf seine Wiederbestellung hofft, auch in diesem Fall kaum Spielraum gelassen. Deutsche, Franzosen, Briten und alle anderen haben eigene Konjunkturpakete geschnürt, die vor allem die eigenen Märkte unterstützen, aber kaum eine europäische Perspektive haben. So geben die EU-27 insgesamt zwar gut 400 Milliarden Euro für die Wirtschaftsförderung aus, die Frage bleibt dennoch, ob die Effekte daraus dieses Geld auch wert sind. Unterdessen steigt die Zahl der Arbeitslosen stetig - je nach Schätzung fallen allein heuer bis zu 4,5 Millionen Jobs weg, insgesamt sind in diesem Krisenjahr gut 20 Millionen EU-Bürger arbeitslos.
So etwas wie einen Neubeginn in der Krise, wie ihn etwa US-Präsident Barack Obama mit seinem Fokus auf grüne Technologie und sogenannte grüne Jobs versucht, gibt es in Brüssel schlechterdings nicht. Selbst die mutigsten Eurokraten erwähnen den Lissabon-Prozess, der die Union bis 2010 zur dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsregion der Welt machen sollte, nicht mehr. In Zeiten, in denen gemeinsame Grundlagenverträge kaum durchzubringen sind, werden auch kaum gemeinsame Pläne geschmiedet.

Dennoch: Allein dadurch, dass es die Union gibt, wird Stabilität erzeugt. Was sie nun, nach den Ideen der Gründerväter in den 1950er-Jahren und der zunehmenden Integration in den 1980er- und 1990er-Jahren, wieder brauchen würde, wäre etwas mehr an Gemeinsinn, gutem Willen und vor allem ein neues gemeinsames Projekt wie etwa den Euro.
Vielleicht aber muss die Wirtschaftskrise noch ein wenig andauern und unangenehmer werden, damit die europäischen Bürger, deren Politiker und die Union wieder so etwas hervorbringen. (Christoph Prantner, DER STANDARD, Printausgabe, 29.5.2009)