Im Kinsky-Katalog als posthum deklariert: Wotrubas Große stehende Figur II, 2/3.

Foto: im Kinsky

Giambologna, Rodin, Giacometti und Fritz Wotruba eint nicht nur ihre bildhauerische Tätigkeit. Sie alle nutzten bereits zu Lebzeiten das serielle Produktionsverfahren des Kunstgusses, das allerdings bei keinem mit dem Ableben endete. Die Renaissance hatte über ihre Antiken-Verehrung Nachgüsse salonfähig gemacht und nutzte die Reproduktionstechnik zur Komplettierung privater oder institutioneller Sammlungen.

Einen wahren Boom bescherte die Demokratisierung der Kunst an der Wende zum 20. Jh. Die lukrativen Chancen der Massenproduktion erkannten sowohl die Schöpfer als auch deren (nicht immer autorisierten) Nachfahren. So gab Auguste Rodin seiner Gießerei Barbedienne für zwei Arbeiten grünes Licht zur Vermassung. Das Ergebnis: 319 Exemplare von Der Kuß, 231 von Der ewige Frühling. Inflationär, wie der Markt urteilte.

Vorerst beispiellos

In der Kategorie unbefugter Nachgüsse blieb der Fall Giacometti Anfang der 90er-Jahre vorerst beispiellos. Die Wurzel des mit einem taxierten Reingewinn von 22 Millionen Euro recht lukrativen Übels: Giacomettis Gießer Jacques Redoutey, unterstützt von zahlreichen Galeristen und deren fälschlich die Authentizität belegenden Expertisen sowie der Unbedarftheit selbst großer Auktionshäuser wie Christie's und Sotheby's.

Aus Sicht von Juristen ist die Situation simpel, denn die Erben des künstlerischen Nachlasses haben über die Werknutzungsrechte automatisch freie Bahn, wie auch ein aktuelles Beispiel aus Österreich belegt. Fritz Wotruba verstarb 1975. Als Universalerbin ließ seine Witwe erste posthume Güsse produzieren. Um die 15 Stück, schätzt Anwalt Ernst Ploil, neben Wilfried Seipl und Christa Kamm Mitglied des derzeitigen Stiftungsvorstandes. Nach dem Tod Lucy Wotrubas 1985 fungierte zuerst der Verein und seit 2004 die Privatstiftung als Rechtsnachfolger Wotrubas. Bislang hätte man zwei Bronzen produzieren lassen, darunter auch Große stehende Figur II. Sie blieb, auf 90.000-160.000 Euro taxiert, im Rahmen einer Auktion "im Kinsky" Ende Februar unverkauft und gastiert derzeit bei Kovacek Spiegelgasse. Für 180.000 Euro buhlte die posthume Bronze zuletzt bei der "Art Austria" um die Gunst des Publikums.

Keine Markierung

Für den 1956-59 datierten Entwurf hatte Wotruba die Auflage auf drei Güsse limitiert, ließ ursprünglich aber nur einen ausführen. Seit seinem Tod kommt - über das Gussbuch als authentische Quelle - das Prinzip der nicht "ausgegossenen" Editionen zur Anwendung. Rechtlich korrekt, aber zum Leidwesen von Sammlern, die sich posthumer Vermehrung und des nun befürchteten Wertverfalls sicher wähnten. Denn auf den Nachgüssen findet sich keine entsprechende Markierung, eine Unterscheidung zu Güssen aus den 60er-Jahren ist unmöglich. Für Ploil - auch in seiner Funktion als Kinsky-Teilhaber, das seit seiner Berufung in den Vorstand im Auftrag der Stiftung einiges aus dem Nachlass versteigern ließ - ist dies wiederum ein Qualitätsmerkmal.

Laut Michael Kovacek ließ Wotruba rund 60 Prozent seiner Güsse bei Alfred Zöttl (Wien) ausführen. Die in anderen Fällen vom Künstler im Anschluss an den Rohguss eigenhändige Bearbeitung (Ziselierung, Patinierung), so bestätigt man dort, würde schon immer von den Fachleuten in der Kunstgießerei vorgenommen. Wotruba dürfte keine Ausnahme gewesen sein. Insofern bleibt als einziges Unterscheidungsmerkmal das Zertifikat der Privatstiftung. Und sollte dieses im Laufe der Jahre verlorengehen? Im Wotruba-Werkverzeichnis von 2002 ist der Auflagenstatus ja nicht publiziert, diese Information findet sich - fern der Öffentlichkeit, dafür aktualisiert - im Gussbuch. Sollten Sammler, Kunsthändler und Experten auf diese Information Wert legen, empfiehlt sich eine Anfrage bei der Privatstiftung. Seit eineinhalb Jahren ist diese aber kostenpflichtig. (Olga Kronsteiner, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 30./31.05. & 01.06.2009)