Hörspiel-Autor Helmut Peschina.

Foto: Newald

Berging - Berging bei Neulengbach in Niederösterreich zählt gemeinhin eher zu den Nebenschauplätzen der Geschichtsschreibung: fünf Höfe zwischen Feldern, Fröschen und Füchsen.

Letzteren bot sich in den vergangenen Tagen ein seltsamer Anblick: In der Scheune von Hof Nummer eins, vulgo "Villa Berging", saßen in tiefe Fauteuils versenkt oder ausgestreckt auf weiten Diwans etwa fünfzig Autoren, Rundfunk-Redakteure, Regisseure und Komponisten. Acht Stunden täglich lauschten sie Hörspielen, die in bester ORF-Tonqualität aus den Boxen drangen.

Einmal im Jahr nämlich, zumeist im Mai, organisiert hier Helmut Peschina, selbst einer der bekanntesten Autoren des Genres, auf eigene Initiative die internationale Hörspiel-Tagung, das wichtigste Treffen der Branche im deutschsprachigen Raum.

Einzigartig ist die Veranstaltung nicht nur aufgrund der großen Zahl der anwesenden Autoren, Regisseure und Redakteure - vertreten sind in der Berginger Scheune nahezu alle wichtigen Hörfunk-Sender Deutschlands, der Schweiz und Österreichs, der Norddeutsche Rundfunk (NDR), ebenso wie der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), Deutschlandradio und Südwestfunk (SWR). Einzigartig ist die Veranstaltung vor allem durch die Offenheit, mit der hier die Künstler gegenseitig die Qualität der präsentierten Arbeiten diskutieren.

Eine Offenheit, die möglich wird durch die Tatsache, dass die Hörspielschaffenden in Berging unter sich bleiben. Dank der großzügigen Finanzierung der Veranstaltung durch die Literar-Mechana, das Kulturministerium und das Land Niederösterreich ist die Tagung befreit von jeglicher Rücksichtnahme auf ein Publikum oder sonstige Formen der Öffentlichkeit. Eine Rarität.

Fünf Tage lang tauschen sich die Künstler in entspannter Atmosphäre, zwischen Holundersträuchen und streunenden Hühnern, aus über die Veränderungen des Genres - wie etwa die Tendenz zur Beschleunigung und zur Überfrachtung der Erzählungen mit akustischem Material infolge der Digitalisierung.

Abend für Abend wählen die Anwesenden aus den Hörspielen und Lesungen in geheimer Wahl den Favoriten des Tages. Dieser erhält den "Szlabbes", die traditionelle Auszeichnung der Veranstaltung.

Auffallend war in diesem Jahr, dass keiner der vier Szlabbes an eine Produktion des ORF verliehen wurde - und das, obwohl der Sender gewissermaßen als inoffizieller Gastgeber fungierte: Er stellte das technische Equipment; ORF-Regisseur Götz Fritsch zeichnet für das Programm, Komponist Peter Kaizar für die technische Einrichtung verantwortlich. Und auch sonst war der ORF überdurchschnittlich stark vertreten. Doch die Szlabbes gingen an den Lyriker Oswald Egger für seine neue Klang-Räume eröffnende Lesung aus Skizzen zu einem Lenz-Hörspiel sowie an Robert Woelfl für die Lesung aus Wir verkaufen immer, einem Hörspiel über Aktienhändler. Gleich zwei Szlabbes erhielt die RBB-Regisseurin Gabriele Bigott (Erntelied von Steffen Thiemann und Tötet den Schiedsrichter nach den Brüdern Prsnjakow) für ihre lakonischen, leisen und hochmusikalischen Arbeiten.

Ob die weniger beeindruckende Qualität der ORF-Eigenproduktionen Zufall ist - oder eine Folge der seit dem Jahr 2003 von rund 4000 Euro auf 2000 Euro gesenkten Honorare für Hörspiele (das Werkrecht wird nicht länger entgolten) -, darf gemutmaßt werden. Auch im kommenden Jahr ist jedenfalls die Zahl von rund zwanzig Neuproduktionen gesichert.

Und auch die Berginger Tagung wird in der gewohnt offenen Form fortgesetzt. Helmut Peschina, ihr großartiger Initiator, wird die Mühsal der Organisation auf ausdrückliche Bitte aller Anwesenden auch künftig auf sich nehmen. (Cornelia Niedermeier/DER STANDARD, Printausgabe, 3. 6. 2009)