Die coolen Banda-Herren haben eine Schwäche für die Oper, sie interpretieren sie jedoch ganz schön eigenwillig.

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Blasmusik ist nicht gleich Blasmusik. Dass es zum zünftigen Sound, mit dem hierzulande eifrige TrachtenkapellistInnen rurale Feiertagsstimmung zu verbreiten pflegen, Alternativen gibt, weiß man, seit der Ruf der New Orleanser Marching Bands mit ihren beschwingten Begräbnismusiken nach Europa drang. Selbiges wird eindrücklich vor Ohren geführt, seit die Balkan-Welle jede Menge virtuoser Roma-Kapellen nach Mitteleuropa gespült hat. Langsamer, leiser als Boban Markovic Orkestar, Fanfare Ciocarlia und Co sind in den letzten Jahren die italienischen Bandas ins Blickfeld gerückt.

Sie zeichnen sich vor allem durch eine spezifische Repertoire-Tradition aus, sind untrennbar mit dem Inbegriff Musikitaliens verbunden, der Belcanto-Oper. Drehen wir das Rad der Zeit zurück: Die Bandas wurden in Italien in der Folge der napoleonischen Kriege populär, sah man jene Ensembles, die in der Regel 50 bis 60 MusikerInnen umfassen und mit Trompeten, Posaunen, Hörnern und Tuben sowie Flöten, Oboen, Fagotten und oft nicht weniger als 15 Klarinetten besetzt sind, als klingende Vehikel zur Verbreitung der neuen Ideale von Gleichheit und Demokratie.

Der Banda wurde die Aufgabe zuteil, die der Aristokratie und dem gehobenen Bürgertum vorbehaltene Oper auch dorthin zu bringen, wo es keine Opernhäuser und Konzertsäle gab bzw. die sozial schwächeren Bevölkerungsschichten keine Möglichkeit hatten, selbige zu betreten. Die Blaskapellen, in denen die Singstimmen durch verschiedene Mitglieder der Flügelhorn-Familie, die Violinen durch die Klarinetten ersetzt wurden, mutierten so nicht nur zum Mittler zwischen sogenannter Hoch- und Populärkultur.

Sie stellten - in Ermangelung von Rundfunk und Tonträgern - auch eine Art dezentrales Massenmedium dar, das zur Popularität der Oper beitrug. Kein Wunder, dass die Bandas auch auf das Musiktheater selbst zurückwirkten und etwa in Rossinis Die diebische Elster oder Bellinis Norma als Bühnenensembles eingesetzt wurden und werden.

"Die Banda verkörperte buchstäblich die Welt des Belcanto, um gleichzeitig eine veritable musikalische Revolution zu vollziehen, um einen einzigartigen, eigenständigen Sound zu entwickeln" - so sagt einer, der es wissen muss: Pino Minafra, einer der rührigsten und - auch international - bekanntesten Jazzer Italiens. Sich um die Wiederbelebung der "Banda"-Tradition zu bemühen, die in den letzten Jahren zunehmend in Vergessenheit geraten drohte, als museal bezeichnet wurde, war dem Trompeter mehrfach in die Wiege gelegt:

Zum einen arbeitete er in den 1970ern noch mit Nino Rota, der in seinen Filmmusiken, besonders jenen für Federico Fellini, wiederholt Banda-Musik integrierte. Zum anderen ist Minafras Heimatstädtchen Ruvo di Puglia nahe Bari insofern Gravitationspunkt der Banda-Tradition, als hier die Brüder Amenduni lebten, deren Banda-Trauermusiken zur Begleitung der Karwochen-Prozessionen in ganz Süditalien bekannt sind.

1993 gründete Minafra also die Banda Città Ruvo di Puglia, die heute als eines der ambitioniertesten Ensembles seiner Art die Tradition hochhält - und auch neues Terrain betritt: Es wäre nicht Minafra, hätte er nicht früh versucht, Blasmusik und Jazz miteinander in Beziehung zu setzen. Im Rahmen der Donaueschinger Musiktage 1996 erlebten Kompositionen u. a. von Willem Breuker und Bruno Tommaso für Banda und improvisierende Solisten ihre Uraufführung, während im ersten Teil des Konzerts traditionelles Repertoire, Instrumentierungen von Arien Bizets, Verdis, Bellinis, Puccinis und Rossinis intonierte wurden.

Und Achim Hebgen erinnerte im Programmbuch an die musikhistorische Bedeutung der Banda: "Man sagt, es seien die Bandas gewesen, die die italienischen Opern zu einem Massenphänomen gemacht haben und Verdi zu einem Volkshelden." (Andreas Felber / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.6.2009)