In Vor-EU-Zeiten bestand die Hauptbeschäftigung der Bewohner des christlichen Abendlandes bekanntlich darin, sich wechselseitig aufzulauern, zu erobern und dann abzuschlachten. Mein Heimatort Bregenz wurde im Dreißigjährigen Krieg von den Schweden belagert. Es würden wohl noch heute ein paar von ihnen auf dem Gebhardsberg ob der Stadt stehen, hätte nicht der Westfälische Friede (1648) dem ganzen Unfug ein Ende bereitet.

Jahrhunderte später setzte ein großer zivilisatorischer Schub ein. In den 1970ern bekamen wir es mit friedlicheren Schweden zu tun, trinkfreudigen Jugendlichen, die nur den Tick hatten, sich binnen kürzestem so umzusägen, dass man nicht selten gutgeölte Jungschweden am Bodenseeufer kriechen und ins Schilf vomieren sah. Herr Mölzer und Herr Graf werden es ungern lesen, aber auch Vertreter der nordischen Rasse benehmen sich daneben.

Warum die Schweden im Ausland so heftig bürsteln, ist sternenklar: Die Regierung in Stockholm belegt Bier, Wein und Schnaps mit Irrsinnssteuern; die Kosten für ein Seidel können einen Normalbürger ruinieren. Zudem wird jedem Kunden beim Erwerb von Alkoholika in den staatlichen Läden das Gefühl vermittelt, er sei Krimineller, Terrorist, Sodomit oder Ähnliches. Daher zieht es ja schwedische Trinker auch ständig über die Grenze.

Aber nicht nur sie: Die Engländer stehen auf die feinen Sangria-Kübel in Spanien. Die Deutschen lassen sich in Italien zur "Pizza con krauti" gern einmal Chianti kredenzen. Die Österreicher drängt es mehr nach Ungarn, wo ein Bier um lächerliche 400 Forint zu haben ist, sodass sich Herr Strache zum selben Preis wie in Wien in Fertöhomok das dreifache Quantum hinter seine blaue Binde gießen könnte. Auf der Nordsee schippern Fähren umher, die nur dem Zweck der Kollektiv-Alkoholisierung dienen. Eine besonders gute Preis-Promille-Ratio findet der EuroZecher in jenen neuen Beitrittsländern, wo der Wodka nicht nach Zentilitern, sondern nach Gewicht ausgeschenkt wird ("Ein Viertelkilo Wodka. Nicht einpacken, ich trink ihn gleich da." ).

All diese Einzelbeobachtungen fügen sich zum Gesamtbild eines blühenden EU-Trinktourismus, der viel zum gegenseitigen Kennenlernen der Völker beiträgt. Und das Schönste: Solange man nicht über die Grenzen hinweg direkt aus dem Internet heraussaufen kann, droht diesem Tourismuszweig auch keine Krise. (Christoph Winder, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 06./07.06.2009)