Wolfgang Knoll: "Ich habe nichts davon, wenn ich Forscher hole, die in dreißig Jahren hier auch in Pension gehen."

 

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Peter Illetschko sprach mit AIT-Chef Wolfgang Knoll über krisenfestes Forschen, Exzellenz und Fußball.

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STANDARD: Im April 2008 haben Sie als wissenschaftlicher Geschäftsführer der Austrian Research Centers begonnen, sind von einem Riesen, der Max-Planck-Gesellschaft, ins kleine Österreich gewechselt. Können Sie eine erste Bilanz ziehen?

Knoll: Es ist schon eine interessante Erfahrung. Jetzt bin ich auf der Seite der Kleinen. Wir sind ja ein Zehntel von dem, was die Fraunhofer-Gesellschaft in Deutschland ist. Ein Juniorpartner. Aber klein muss kein Nachteil sein und groß kein Vorteil. Und zweitens: In Österreich habe ich von Anfang an eine Aufbruchsstimmung mitbekommen, die mich begeistert hat. Quer durch alle politischen Farben, quer durch alle Bereiche wollte man Technologie weiterbringen.

STANDARD: Ihre Begeisterung in Ehren, sie beschreibt aber die Stimmung im Frühjahr 2008. Danach kam die Krise, mit dem Forschungspfad ist es derzeit Essig. Sind Sie heute am Boden der Realität angelangt?

Knoll: Sie werden von mir kein Einstimmen in den Chor der Krisenredner erleben. Ich will es aber auch nicht schönreden. Ich sehe die Situation realistisch. Natürlich können wir nicht losgelöst von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen agieren. Wir haben auch Partner, denen das Geschäft zusammenbricht. Andere meinen, dass es sie bisher kaum trifft. Ich glaube, dass wir uns für Schwerpunkte entschieden haben, die relativ krisenfest sind. Im Gesundheitsbereich zum Beispiel hören wir noch von keinen Einbrüchen. Neue Energielösungen werden doch deswegen gerade jetzt gebraucht, weil man versucht, seine Kosten zu minimieren. Selbst in der Autobranche läuft nicht alles linear. Jene Themen, denen wir uns auch im Department Mobility widmen, werden von der Branche nicht so zusammengestrichen, wie befürchtet. Das soll aber nicht heißen, dass wir uns bei der Schwerpunktsetzung nach der Krise gerichtet haben. Ein Konjunktureinbruch wäre ein schlechter Ratgeber. Uns ging es um Themen, die aufgrund einer im Wandel befindlichen Industriegesellschaft auf der Hand liegen.

STANDARD: Resultiert Ihr Optimismus auch aus folgender Überzeugung: Schlimmer als vor Ihrer Zeit kann es bei den Austrian Research Centers nicht mehr kommen? Das Unternehmen war lang wegen politischer Einflussnahme und seiner wirtschaftlichen Lage in den Medien ...

Knoll: Der Optimismus wird schon auch durch die Kenntnis der Vergangenheit genährt. Wir haben mit einer ehrlichen Bestandsaufnahme begonnen, um die letzte Chance, die dem Forschungsunternehmen bleibt, zu wahren. Die Eigentümerstruktur wurde geändert, damit kein Eingriff mehr möglich ist. Wir haben die Industrie ins Boot geholt, die davor das Interesse an der strategischen Partnerschaft mit uns verloren hatte. Und wir ha- ben eine thematischen Flurbereinigung unternommen, indem wir einige Bereiche ausgegliedert haben. Das war notwendig: Seibersdorf zeichnete sich in der Vergangenheit durch eine außergewöhnliche Vielfalt der Forschungsthemen aus. In Seibersdorf wurde Technologie auch zugekauft, um daraus ein Anwendungstool zu basteln. Das soll es in Zukunft aber nicht mehr sein.

STANDARD: Wie entstand eigentlich dieser wissenschaftliche Bauchladen? Wie wollen Sie das in Zukunft verhindern?

Knoll: Die klaren Zielvorgaben gingen 1978 verloren. Als das Referendum gegen Zwentendorf entschieden wurde, war das Nuklearforschungszentrum am Ende. Danach gab es dreißig Jahre lang nicht viel mehr als lokale Überlebensstrategie. Wer ist wofür zuständig? Das hat man lange nicht wirklich gewusst. Jetzt gibt es Zielvorgaben. Wissenschaftliche Arbeit mit Ergebnissen nach fünf und mehr Jahren. Zusätzlich haben wir auch die Seibersdorf Labor GmbH gegründet, die auf dem Markt mit professionellen Labordienstleistungen operieren soll. Da ist auch das Dopingkontrollen-Laborteam dabei. Da müssen ja mehrere tausend Tests pro Jahr zuverlässig und rasch analysiert werden.

STANDARD: Für exzellente Wissenschaft, die Sie einfordern, brauchen Sie aber die besten Köpfe. Warum sollten die ausgerechnet zum Austrian Institute of Technology gehen?

Knoll: Wir haben schon jetzt kluge Köpfe hier. Es wurde auch Großes geleistet, aber es wurde nicht so ausführlich drüber geredet. Ich will vor allem junge Leute, die sollen hier an ihrer Karriere arbeiten können und dann wieder abberufen werden. Das müssen wir anbieten. Es geht um den ständigen Austausch von Ideen, um international gut dazustehen. Das ist ein brutaler Wettkampf. Ich habe nichts davon, wenn ich jemanden hole und der dann in 30 Jahren hier in Pension geht.

STANDARD: Also Champions League und nicht Landesliga, wie Ihr Aufsichtsratspräsident Hannes Androsch sagte ...

Knoll: Das AIT hat sicher sehr gute Spieler und wird auch weitere gute Spieler holen. Ich werde mich als Trainer sehr darum bemühen. Wir dürfen nur nicht gegen die falschen Gegner antreten und müssen in unseren Nischen bleiben. Sonst geht es mir wie Jürgen Klinsmann bei Bayern München. (STANDARD, Printausgabe, 10.6.2009)