Graz - Abgebrochen, abgeschlagen oder unter einem Feigenblatt versteckt: Die "Männlichkeit" antiker Statuen ist ein Kapitel für sich. Falls überhaupt noch intakt, präsentiert sich das "beste Stück" klein und unscheinbar. Studierende am Institut für Archäologie der Universität Graz haben sich mit diesem Phänomen auseinandergesetzt und eine Ausstellung mit antiken Abgüssen und Vasenfragmenten gestaltet. Sie ist bis zum 3. Oktober im Gipsmuseum der Universität zu sehen.

Skulpturen nackter Menschen gehören für uns zur Antike wie das Kolosseum zu Rom. Vollendete Körper, wohlproportioniert, schlichtweg "Traummänner" - diesen Eindruck vermitteln die Statuen aus dem antiken Griechenland und Rom auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick fällt auf: Antike Männer-Statuen sind schlecht bestückt. Das Grazer Studententeam hat unter der Leitung von Barbara Porod nach einer Erklärung für die augenfällige Differenz zwischen der antiken und der heutigen Einstellung zum männlichen Körper und seinen Genitalien gesucht.

Skulpturale Harmonien

Die Wissenschaft ist um Antworten nicht verlegen und hat mehrere Theorien dazu entwickelt, erklärt Projektmitarbeiter Klaus Hohsner. "Zum einen könnten ästhetische Motive eine Rolle gespielt haben. Die Betrachter und Betrachterinnen sollten nicht von der Harmonie der Skulptur abgelenkt werden". Aber auch praktische Gründe seien denkbar: Mit der Größe wächst die Gefahr, dass die steinerne Männlichkeit Schaden nimmt und abbricht. Fest steht auf alle Fälle: "Die heute viel diskutierte Größe des männlichen Genitals hatte in der Antike nicht diese zentrale Bedeutung", so Hohsner.

Malereien auf Vasenfragmenten, wie sie ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sind, zeigen noch einen weiteren interessanten Aspekt auf: Im Zusammenhang mit kultischen Zwecken, etwa bei der Darstellung von Satryren, kommt die Männlichkeit durchaus "groß raus". Auch Angehörige afrikanischer Völker sind mit übergroßem Penis dargestellt - offenbar als Gegensatz zu "zivilisierten" Männern, so Hohsner.

Gänzlich den Garaus gemacht hat den männlichen Attributen dann später die Kirche, wie Hohsner weiß. Antike Statuen beziehungsweise deren Kopien wurden zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert mit roher Gewalt "beschnitten" oder mit einem Feigenblatt keusch geschmückt. (APA)

Bis 3. Oktober