Der Tag danach war der Tag der farbigen Bilder: Vom koscher geschlachteten Schwein, das Netanjahu verspeisen wolle, war die Rede (gemeint ist: "Staat" und "demilitarisiert" schließen einander aus), vom "Raubtier-Baby" Palästinenserstaat, vom S-Wort, das dem israelischen Premier wie ein fauliger Zahn ohne Betäubung gezogen worden sei, von den palästinensischen "fremden Eindringlingen" , die einen Staat bekämen, falls sie bewiesen, dass sie mit Messer und Gabel - oder eigentlich ohne Messer - essen können, und anderem mehr.

Benjamin Netanjahu hatte in der Tat keinen leichten Stand bei seiner Rede am Sonntagabend. Es war eben keine programmatische Rede, wie angekündigt, sondern eine aus der Notwendigkeit geborene Rede, mit dem Zweck der Besänftigung der einen (oder des einen: Barack Obama), ohne die anderen zu vergrämen. Das ist kein Programm. Aber Netanjahu scheint seine Sache gar nicht schlecht gemacht zu haben. Was die einen als prinzipiellen Sinneswandel verbuchen können - Netanjahu redet zum ersten Mal von einem Palästinenserstaat -, muss die anderen nicht allzu sehr beunruhigen.

Es war ein Staat mit Wenn und Aber, den er da ansprach, aber es war doch ein Staat. Auf dieser Meta-Ebene hat Netanjahu in der Tat einen Schritt getan. Der Staat war aber gleichzeitig so konditioniert, dass er wenig mehr als eine kurz in der Luft stehende Fata Morgana war, und zwar eine israelische Fata Morgana, keine palästinensische, aber auch keine internationale. Da tauchten eher westjordanische Bantustans, zwischen israelischen Siedlungen liegend, am Horizont auf.

Die Demilitarisierung, die für den Kritiker von rechts so unglaubwürdig war, dass er die "koscher geschlachtetes Schwein" -Metapher aufbrachte, ist dabei das allergeringste Problem. Netanjahu sprach eine Binsenweisheit an, da geht es nicht um das "Ob" , sondern um Modalitäten und Garantien, alles Sache von späteren Verhandlungen. Also eigentlich eine Augenauswischerei. Auch der Hinweis, dass keine palästinensischen Flüchtlinge beziehungsweise deren Nachkommen auf israelisches Territorium zurückkehren werden, ist nicht mehr als ein Ritual. Das weiß jeder.

Was jedoch nicht heißt, dass nicht das "Prinzip" des Rückkehrrechts (das eben nicht physisch in Anspruch genommen wird) zur Sprache kommen wird. Aber Netanjahu hat dies ausgeschlossen, indem er von den Palästinensern eine Anerkennung nicht nur Israels, sondern Israels "als jüdischen Staat" verlangt hat. Das ist viel schwieriger, als es für europäische Ohren klingen mag. Denn den Palästinensern wird dadurch nichts weniger abverlangt, als dass sie unterschreiben, dass der Verlust ihrer Heimat, die Flucht, die Vertreibungen, gerechtfertigt und rechtmäßig waren.

Aber auch die nichtjüdischen Israelis werden bei dieser Forderung aufhorchen. Wobei sie diesen Kummer seit dem Auftreten von Avigdor Lieberman auf der politischen Szene aber schon gewohnt sind.

Aufgebracht waren die arabische und muslimische Öffentlichkeit auch über den vermeintlichen Schlussstrich Netanjahus unter die Jerusalem-Frage. Die arabische Reaktion ist nicht überraschend - genauso wenig, wie es Netanjahus Ansage war. Die Rede war und ist an ihrem Zweck zu messen, an dem, was man erwarten konnte - und nicht an dem, was sich einzelne Parteien erhoffen. Hat irgendjemand wirklich mit etwas anderem gerechnet?

Es stimmt aber, dass international Israel viel eher ein "Darüber muss eben verhandelt werden" konzediert wird als den Palästinensern. Eine Lösung wird aber nur möglich - und nachhaltig - sein, wenn wenigstens das Minimum an Symmetrie gewahrt wird. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 16.6.2009)