Die Mediacom verspricht einen Blick hinter die Fassaden.

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Wer will Familie Berger bei der Arbeit beobachten?

"Einmal Prada, dann wieder Lidl." Es werde immer schwieriger, meint Joachim Feher, Konsumenten zu verstehen. Der Chef der Mediacom, Österreichs größter Mediaagentur, präsentierte am Dienstag ein neues Marktforschungsprojekt. Es nennt sich "Real World Street" und wird gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut Integral durchgeführt. "Detailgenaue Erkenntnisse von der Couch weg" versprechen die Initiatoren; um Zielgruppen noch besser ins Visier nehmen zu können. Die Daten liefern Familien, die sich dazu quasi in die Auslage setzen.

20 Haushalte in und um Wien

Die Ergebnisse werden mittels Befragung und Beobachtung generiert. Dazu wurde ein Panel aufgebaut. Es besteht aus 20 Haushalten in vier Gemeinden rund um Wien. Die Bewohner können entweder direkt im Haus interviewt oder bei der täglichen Produktnutzung unter die Lupe genommen werden. Diese "ethnografische Forschung", so Bertram Barth, Chef von Intergral, gebe "tiefe Einblicke in die Lebenswelten und Alltagspraxis." Beim Blick über die Schulter der Teilnehmer könnten Kaufentscheidungen leichter nachvollziehbar gemacht werden, verspricht die Mediacom ihren Kunden.

Beobachtung von Interviews flankiert

"Die Zielgruppe erleben", nennt das Joachim Feher. Die Möglichkeiten für Kunden reichen dabei von Tiefeninterviews über die Begleitung beim Einkaufen bis zur Teilnahme am Mittagessen. „Besser als im Labor", sagt Bertram Barth. Diese Art der „teilnehmenden Beobachtung" kreiere keine künstlichen Lebenswelten sondern biete reale Alltagssituationen, die etwa auf Kaufimpulse oder aufs Einkaufverhalten schließen lassen. Die Kosten? "Ab 1.000 Euro aufwärts", erklärt Feher, wenn zum Beispiel nur eine Familie involviert ist.

Von England nach Wien

Ein Projekt wie "Real World Street", so Feher, sei „einzigartig im deutschsprachigen Raum". Das Konzept komme aus England und wurde vor drei, vier Jahren zum ersten Mal ausprobiert. "Wir verfolgen mit solchen Untersuchungen natürlich keinen repräsentativen Anspruch", meint Barth von Integral. In puncto Mediaplanung versteht er die Daten als Ergänzung zu den qualitativen.

Einige Interviews pro Jahr

Um die 20 Haushalte, die das bis jetzt bestehende Panel bilden, bei Laune zu halten, hofft Barth, dass im Schnitt jeder "fünf bis sechs Mal pro Jahr" befragt werden kann. "Nicht zu oft, aber auch nicht zu selten." Mit den Teilnehmern soll ein "Vertrauensverhältnis" aufgebaut werden. Deren Engagement werde natürlich honoriert. "Das Ganze darf kein Zoo sein", betont der Intergral-Chef.

"Das virtuelle Leben der Österreicher"

Die erste "Familien-Studie" ist schon unter Dach und Fach. Unter dem Titel "Das virtuelle Leben der Österreicher" wurde der Stellwert des Internets im Alltag sowie die Affinität zu Web 2.0-Produkten untersucht. "Um die Realitäten hinter den nackten Zahlen" hervorzuholen, meint Barth. Die nackten Zahlen: Laut Austrian Internet Monitor nutzen 74 Prozent der Bevölkerung das Web, 62 Prozent verwenden es mehrmals pro Woche. Die Realitäten: Frau Berger hat ein anderes Nutzungsverhalten als Herr Berger. Ob solche Details von Relevanz sind, wird die Resonanz bei möglichen Auftraggebern weisen. (om, derStandard.at, 16.6.2009)