Die Ionenfalle ist eines der wichtigsten Werkzeuge der Quanten-physik: Hier werden elektrisch geladene Atome für Versuche festgehalten.

Foto: C. Lackner

Rainer Blatt wünscht sich mitunter in die Postdoc-Zeit zurück, um mehr forschen zu können.

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STANDARD: Ihre Gruppe hat zuletzt ein Paper über die "Geburt eines Photons" verfasst. Warum ist es spannend, sich mit derartigen Fragen zu beschäftigen?

Blatt: Wir haben uns mit der Messung des Quellfelds eines Photons beschäftigt. Da wir die zeitliche Entwicklung dieses Feldes auf einer extrem kurzen Zeitskala beobachten, kann man wirklich von einer Art „Geburt eines Photons" sprechen. Es handelt sich dabei um einen Vorgang, der in der Natur ganz häufig ist, und als selbstverständlich wahrgenommen wird, aber in diesem Detail bisher nicht beobachtet werden konnte: Bei der Fluoreszenz, wenn also ein angeregtes atomares System in ein energieärmeres System übergeht und Licht abgegeben wird. Physiker wollen diesen Dingen aber auf den Grund gehen und sie direkt beobachten, auch wenn wir hier nichts anderes gesehen haben, als wir aufgrund von anderen Erkenntnissen bereits erwartet hatten.

STANDARD: Sie sind derzeit geschäftsführender Direktor am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und sind auch in leitender Position am Institut für Experimentalphysik der Uni Innsbruck. Bleibt da noch genug Zeit für derartige Forschungsarbeiten?

Blatt: Leider nein. Ich führe solche Experimente nach wie vor mit großer Begeisterung durch. Wir gehen ja immer noch einen Schritt weiter in der Beobachtung der Naturphänomene. Mitunter gelingt es dann eben, noch feinere Details zu sehen und noch besser zu verstehen, wie sich die Natur verhält, auch wenn damit nicht unbedingt sofort eine Anwendung verbunden ist. Das ist eine hervorragende Basis für die Lehre. Neben der Verwaltungstätigkeit und dem allgemeinen Forschungsmanagement bleibt allerdings in der Tat zu wenig Zeit. Manchmal sage ich scherzhaft, ich fange wieder neu als Postdoc an. Aber es ist schon auch bereichernd, eine Gruppe zu leiten, in der wissenschaftlich viel weitergeht, da muss ich nicht dauernd direkt im Labor mitarbeiten.

STANDARD: Ihre Gruppe beschäftigt sich mit Quantencomputing. Woran arbeitet Sie zurzeit?

Blatt: Wir forschen nicht nur auf dem Gebiet der Quanteninformation. Aber diese Themen sind natürlich viel populärer als andere, weil es immer noch die Vorstellung gibt, dass es irgendwann einmal einen ganz anderen PC am Schreibtisch geben wird, der schneller als alle bisherigen Computer arbeitet. Wir beschäftigen uns aber vor allem mit grundlegenden Fragen, wie die Gesetze der Quantenmechanik für Probleme der Informationsverarbeitung eingesetzt werden können.

STANDARD: Zum Beispiel?

Blatt: Wir arbeiten an der Realisierung von Gatterschaltungen, die mit Hilfe der Quantenmechanik funktionieren, der Darstellung von quantenmechanischen Informationsträgern, den Quantenbits und an der Realisierung von kleinen Quantenprotokollen und quantenmechanischen Rechenverfahren. Im Jänner dieses Jahres haben wir ein neues Quantengatter mit 3 Quantenbits, das so genannte Toffoli-Quantengatter veröffentlicht. Die laufende Forschung beschäftigt sich mit der weiteren Verbesserung dieser Gatter und mit der Realisierung der Quantenfehlerkorrektur. Dabei geht es darum, einmal in der Lage zu sein, Fehler, die ja unweigerlich im experimentellen Alltag passieren, automatisch korrigieren zu können.

STANDARD: Warum ist das wichtig?

Blatt:
Solche Methoden sind in allen klassischen Computers gängig, müssen aber für die Quantencomputer ganz neu entwickelt werden und sind da viel schwieriger zu realisieren. Das wird uns noch einige Jahre beschäftigen. Und ich hoffe, dass wir den Anschluss an das Weltniveau, den wir inzwischen gefunden haben, auch in Zukunft halten können.

STANDARD: Haben Sie denn Bedenken, dass das so sein könnte?

Blatt: Im Forschungsbereich sehe ich in Österreich in naher Zukunft ganz allgemein die Gefahr, dass man vordergründig aufgrund der ökonomischen Krise die Mittel zu sehr zusammenstreicht und damit die in den letzten zehn Jahren stetig gewachsene Forschungsbasis stark gefährdet. Im Bereich der Quantenphysik brauchen wir eine Nachhaltigkeit, das heißt die Förderung gerade von jungen Wissenschaftern; wir benötigen weitere Maßnahmen zur Stärkung der Infrastruktur und den Ausbau in Bereichen, die dann auch eine breitere Anwendung dieser neuen Technologien ermöglichen. Dies alles erfordert eine langfristig und nachhaltig angelegte Forschungs- und Berufungspolitik, so wie es am Anfang passiert ist. Die Gruppen hier in Tirol, an der Universität Wien oder an der TU Wien sind ja erfolgreich, weil man mit den richtigen Berufungen und Fördermitteln die Basis dafür geschaffen hat.

STANDARD: Das scheint aber in einem der wenigen Bereiche, wo Österreich wirklich Weltspitze ist, also Quantenphysik, ungefährdet. Die Frage ist, wie es in weniger prominenten Forschungsgruppen weiter geht.

Blatt: Die Forschungsförderung, so wie sie noch im August des vergangenen Jahres angedacht wurde, wird leider nicht kommen. Man kann nicht wirklich von einem Austrocknen reden, es konnte ein Kompromiss gefunden werden, der aber sicher noch einige Justierungen benötigt. Erfreulich ist, dass es gelungen ist, für den Wissenschaftsfonds FWF Mittel für die nächsten Jahre sicher zu stellen, die diesen in die Lage versetzen sollten, auch weiterhin intensiv zu fördern. Zwar ist es nicht gelungen, die Mittel des Jahres 2008 auch für die nächsten Jahre fortzuschreiben, insgesamt ergibt sich für die kommenden fünf Jahre aber doch eine gewisse Erhöhung der FWF-Mittel. Weniger erfreulich ist die Situation bei der Akademie der Wissenschaften. Es gelang zwar auch hier, die Budgetsituation für die nächsten Jahre überschaubar und planbar zu machen, allerdings werden wohl einige größere Sparmaßnahmen notwendig werden.

STANDARD: Können Akademie, Unis und FWF-unterstützte Forscher also nicht mehr die Arbeit machen, die man sich wünschen muss?

Blatt: Die jetzige Situation lässt die Entwicklung der letzten zehn Jahre ins Stocken geraten. Wir können gerade jungen Wissenschaftlern nicht mehr die Perspektive bieten, hier eine wissenschaftliche Karriere zu machen, Studenten werden in andere Fächer gehen und sich anders orientieren. Leider ist der Forschungsbereich sehr sensibel was die Köpfe betrifft, und man kann in kurzer Zeit zunichte machen, was lange Jahre Aufbauzeit erforderte und wieder erfordern wird. Das ist fatal, weil die eingesparten Mittel bei der Forschung eigentlich im Vergleich zu Unterstützungen für Banken, Verschrottungsprämien und Milliardenbeträgen für Tunnelbauten minimal sind. Da fehlt mir das Verständnis für die Budgetpolitik. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.06.2009)