Bild nicht mehr verfügbar.

Die Stimmung trübt sich ein: EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erreichen dieser Tage mehr und mehr schlechte Nachrichten.

Foto: Reuters

Noch vor wenigen Wochen war sich José Manuel Barroso sicher, rasch und problemlos ein zweites Mal zum Präsidenten der EU-Kommission gewählt zu werden. „Die Kommission ist die Hüterin der Verträge. Nach dem geltenden Vertrag von Nizza muss der Präsident der Kommission am bevorstehenden Gipfel definitiv bestellt werden," ließ er ausrichten.
Juristische Probleme, wie etwa eine mit dem Vertrag von Nizza Hand in Hand gehende zwingende Verkleinerung der Kommission, schob er beiseite.

Doch trotz des Wahlsieges der Konservativen bei den EU-Parlamentswahlen wachsen nun die Widerstände vor allem im EU-Parlament. Dort machen viele Abgeordnete seiner „Hausmacht", der Europäischen Volkspartei, die Zustimmung zur Wiederwahl plötzlich von einem Erweiterungsstopp für die nächste fünfjährige Legislaturperiode abhängig. Und nicht wenige Abgeordnete wollen zuerst die Volksabstimmung im Herbst in Irland über den Vertrag von Lissabon abwarten, bevor sie den Präsidenten bestellen.

Von den anderen Fraktionen darf sich Barroso ebenfalls keine all zu große Unterstützung erwarten. Der Chef der EU-Sozialdemokraten, Martin Schulz, hat sich gegen eine Kandidatur von Barroso für eine zweite Amtszeit ausgesprochen.

Auf die Frage, warum die Sozialdemokraten nicht selbst einen Kandidaten präsentiert hätten, verwies Schulz zu Beginn des SPE-Treffens in Brüssel auf den Nizza-Vertrag. Es sei „der Rat, der einen Vorschlag unterbreiten muss. Leider sind 18 der 27 Staats- und Regierungschefs Konservative, und ich habe nicht den Eindruck, dass die einen Sozialdemokraten vorschlagen werden." Barroso sei kein guter Kandidat. Es sollte eine „fortschrittliche Mehrheit" nach einem anderen Kandidaten gesucht werden und „das heißt nicht pro Barroso," sagte Schulz.
Jedenfalls werde es ohne die Stimmen der Sozialdemokraten im EU-Parlament keine Zustimmung für einen Bewerber zum Amt des Kommissionspräsidenten geben. Schulz sagte, sein Rat an den EU-Gipfel sei, keine Entscheidung zu fällen, „weder für einen Kandidaten, noch für ein Prozedere." Auch die Grünen im EU-Parlament sind strikt gegen Barroso. Nun sollen auf Einladung des tschechischen EU-Ratspräsidenten Jan Fischer und seines schwedischen Nachfolgers Fredrik Reinfeldt kommenden Donnerstag in Stockholm die Fraktionschefs im EU-Parlament diese Frage erörtern.

Eine überraschende Rüge bekam Barroso auch seitens der Staats- und Regierungschefs: Man benötige nicht nur einen Präsidenten, sondern auch ein Programm, übte der französische Staatschef Nicolas Sarkozy Kritik an den Führungsqualitäten Barrosos. Dennoch scheint eine Mehrheit der Staats- und Regierungschefs für Barroso zu sein. In einem von der EU-Kommission veröffentlichten „Bewerbungsschreiben" an die 27 EU-Chefs betont Barroso, „dass wir in Zeiten der Krise mehr denn je zuvor eine starke Europäische Union und eine starke Europäische Kommission brauchen".

„Wir brauchen mehr, nicht weniger Europa". Barroso erklärt in dem Brief, sollte er vom EU-Rat nominiert und vom Europaparlament bestätigt werden, sehe er dies als Mandat zur Umsetzung einer „ehrgeizigen politischen Vision Europas". Im einzelnen nennt der ehemalige portugiesische Ministerpräsident sechs Schwerpunkte für die kommenden fünf Jahre.
Europa müsse „Chancen, Verantwortung und Solidarität ins Zentrum der sozialen Marktwirtschaft" rücken. Er wolle „ein offenes, wettbewerbsfähiges und prosperierendes Europa, das das volle Potenzial unseres Binnenmarktes und des Euro ausschöpft" und „mehr und bessere Jobs für die Bürger schafft". Zugleich fordert Barroso weitere Investitionen in eine moderne Infrastruktur, Forschung, Entwicklung und Innovation.

Barroso will zudem die europäische Wirtschaft aus der aktuellen Krise führen und den „Weg für ein intelligenteres, grüneres und nachhaltigeres Wachstum" ebnen. Zugleich sollten die wirtschaftliche und soziale Kohäsion und die Gesundheit der öffentlichen Finanzen gesichert sein. Weiterhin will der Kommissionschef eine Führungsrolle Europas beim Klimaschutz, wobei EU-Unternehmen Pioniere bei der Entwicklung einer „CO2-armen Wirtschaft" sein sollten. Außerdem steht Barroso nach eigenem Bekunden für ein „Europa, das alle Formen von Wirtschaftsprotektionismus zurückweist", seine Interessen aber weltweit verteidige. (Michael Moravec aus Brüssel, DER STANDARD, Printausgabe, 19.6.2009)