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Irlands Premierminister Brian Cowen rang den anderen Europäern in Brüssel Zugeständnisse ab. Dafür werden die irischen Wähler Anfang Oktober noch einmal über den Lissabon-Vertrag abstimmen.

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Debatte nach dem Irland-Votum unter den Abgeordnete im EU-Parlament in Straßburg im Juni 2008.

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Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich am Freitag beim Gipfeltreffen in Brüssel darauf geeinigt, dass jedes EU-Land weiterhin mit einem Kommissar in der EU-Kommission vertreten ist. Dies gilt allerdings nur, wenn die Iren im Oktober dem Vertrag von Lissabon zustimmen.
Ursprünglich hatte der Vertrag von Lissabon eine Reduktion der Kommissionsmitglieder auf zwei Drittel der Mitgliedstaaten vorgesehen, damit hätten im Rotationsprinzip neun Länder auf ihre Vertretung verzichten müssen.

Weiters stellte der EU-Rat in Zusatzprotokollen klar, dass der Vertrag von Lissabon nicht in das irische Steuerrecht, das Familien- und Abtreibungsrecht oder in die militärische Neutralität eingreift. Der irische Premier Brian Cowen gab daraufhin bekannt, dass die zweite Abstimmung über den Vertrag von Lissabon in Irland Anfang Oktober stattfinden wird.

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Irland wird - sofern der Vertrag von Lissabon in Kraft tritt - so wie alle anderen 26 EU-Mitgliedstaaten seinen Kommissar behalten. Weiters bekommt Irland die rechtlich bindende Garantie, dass durch den Vertrag von Lissabon nicht in die militärische Neutralität, in das Familien- und Abtreibungsrecht oder in die Steuerpolitik eingegriffen werden kann.
Auf diese „Klarstellungen" haben sich die Staats- und Regierungschefs beim Gipfeltreffen am Freitag in Brüssel mit Irland geeinigt. Damit sollte der Weg für eine zweite irische Abstimmung über den Vertrag von Lissabon frei sein, meinten Diplomaten. Irlands Ministerpräsident Brian Cowen bestätigte, dass das neue Referendum Anfang Oktober stattfinden soll. In der ersten Abstimmung vor einem Jahr sprachen sich die Iren gegen den Vertrag von Lissabon aus und stürzten damit die EU in eine institutionelle Krise.

Ursprünglich forderte Irland, die Klarstellungen in allen EU-Ländern ratifizieren zu lassen und sie so zu einem Bestandteil des Primärrechts zu machen. Dies scheiterte am Widerstand der meisten EU-Länder. Am Freitag schlug Irland dann vor, das Protokoll mit dem EU-Beitrittsvertrag Kroatiens in Kraft zusetzen, der ohnehin von allen EU-Staaten ratifiziert werden muss. Großbritannien reagierte zuerst skeptisch, weil es befürchtete, die Ratifizierung des Zusatzprotokolls könnte eine neue innenpolitische Debatte über den Lissabon-Vertrag auslösen.

Die konservative Opposition in Großbritannien ist strikt gegen den Lissabon-Vertrag und könnte in der Ratifizierung des Irland-Protokolls einen Hebel sehen, das gesamte Vertragswerk zu Fall zu bringen. Schlussendlich stimmten die Briten dann aber dem Vorschlag der Iren zu.
Diese Zustimmung verknüpften die Briten aber auch an Zugeständnisse bei der geplanten europäischen Finanzmarktaufsicht. Hier einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf Grundprinzipien. Auf Grundlage von Vorschlägen des ehemaligen Direktors des Internationalen Währungsfonds (IWF), Jacques de Larosiere, soll die neue Finanzmarktaufsicht auf zwei Säulen ruhen:

  • Vorgesehen ist ein „Europäischer Rat für Systemrisiken" (European Systemic Risk Board/ESRB). Er soll frühe Warnungen und Empfehlungen herausgeben - etwa wenn Banken so schwere Probleme haben, dass sie andere Geldhäuser mit in den Abgrund reißen könnten. Den Vorsitz soll vor allem in der Anfangsphase der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet übernehmen. Das Nicht-Euro-Land Großbritannien setzte durch, dass generell aber jedes EU-Land einen Kandidaten nominieren kann. Er wird dann von den 27 Notenbankchefs gewählt.
  • Die nationalen Behörden sollen in einem Europäischen System für Finanzaufsicht" (ESFS) verzahnt werden.Die drei europäischen, kompetenzarmen Ausschüsse für das Bankenwesen, für den Versicherungssektor und für Wertpapiere werden EU-Behörden.Für das Tagesgeschäft bleiben die nationalen Behörden zuständig. Die neuen Behörden sollen vermitteln können, wenn sich nationale Aufseher in Konfliktfällen nicht einigen können. Als „letzter Ausweg" soll die EU-Behörde dann eine „verbindliche Entscheidung" treffen können. Auf Druck Großbritanniens wurde vereinbart, dass diese Entscheidungen keine Folgen für die nationalen Haushalte haben dürfen. Die EU-Behörde kann beispielsweise keine Kapitalspritze aus Steuergeldern für Banken vorschreiben.

Einigung auf Barroso

Ebenfalls geeinigt hat sich der Europäische Rat, José Manuel Barroso die Nominierung für eine zweite Amtszeit in Aussicht zu stellen. Dem Wunsch des Portugiesen, bereits fix nominiert zu werden, kamen die Staats- und Regierungschefs nicht nach. Vielmehr sollen nun die Premierminister Tschechiens und Schwedens (aktuelle und nächste EU-Präsidentschaft) mit den Fraktionschefs des EU-Parlaments Sondierungsgespräche starten. Das Parlament muss Barroso bestätigen.

Die Fraktionsführer Graham Watson (Liberale), Daniel Cohn-Bendit (Grüne) und Martin Schulz (Sozialdemokraten) sehen derzeit keine Mehrheit für Barroso. (Michael Moravec aus Brüssel, DER STANDARD, Printausgabe, 20./21.6.2009)