Die 26-jährige Dominique Wagner ist von abstrakter mathematischer Theorie fasziniert.

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Der Beruf der Mathematikerin unterscheidet sich wesentlich von vielen anderen. Denn wenn Dominique Wagner nachmittags die Universität verlässt, stellt sie das Nachdenken über offene Fragestellungen nicht einfach ein: "Mathematik fesselt mich auch beim Spazierengehen, beim Sport oder beim Fernsehen."

Nach ihrem Diplom in Technischer Mathematik begann die Tirolerin aus dem Kurort Bad Häring auch ihre Doktorarbeit an der Uni Innsbruck. Mit Doktorvater Herwig Hauser wechselte sie samt dem FWF-Projekt "Lösen algebraischer Gleichungen", an dem auch das mathematische Forschungsinstitut Ricam in Linz beteiligt ist, im Herbst 2007 an die Uni Wien. Die 26-jährige Forschungsassistentin untersucht Lösungsmengen von polynomialen Gleichungen, sogenannte algebraische Varietäten. Statt mit vergleichsweise einfachen Formen wie dem Kreis hat es die junge Mathematikerin mit algebraischen Varietäten, die auch Singularitäten aufweisen, zu tun.

Singuläre Punkte von algebraischen Varietäten sind jene Stellen, an denen die Varietäten nicht glatt, sondern spitz, scharf oder kantig aussehen. Ein Beispiel wäre die Spitze eines Kegels. Dominique Wagner startet bei ihrer Grundlagenforschung gewöhnlich mit einem geometrischen Problem, formuliert es algebraisch, löst es mit ebensolchen Methoden und interpretiert die Lösung wiederum geometrisch.

Die Faszination liegt für sie – neben der Verknüpfung ihrer beiden Lieblingsdisziplinen der Mathematik – darin, dass die abstrakte Theorie viele Anwendungen in der Praxis hat. Bei mechanischen Systemen wie Robotern oder Flugsimulatoren führt die Begegnung mit einer Singularität gewöhnlich zu System- oder Steuerungsausfall.

Im FWF-Projekt hat sie keine Vollzeitstelle, also bestreitet sie ihren Lebensunterhalt derzeit mit einem L’Oréal-Stipendium "For Women in Science". Nur so kann sie sich auf die Forschung konzentrieren, die Dissertation fertigstellen, kostenintensive Konferenzaufenthalte im Ausland und Fachliteratur finanzieren.

Die ehemalige Physik-Olympionikin bezeichnet die Teilnahme an den internationalen Wettbewerben während ihrer Schulzeit in vielerlei Hinsicht als prägend: zum einen als Bestätigung ihrer Begabung auf diesem Gebiet, zum anderen, weil sie erste Einblicke erhielt, was es bedeutet, Forschung zu betreiben. Zum ersten Mal wurde sie auch damit konfrontiert, dass Physik, noch viel mehr als Mathematik, vorwiegend von Männern betrieben wird.

Wagner will auch in Zukunft bei der mathematischen Forschung bleiben. Da derartige Stellen aber rar sind, legt sie sich noch auf kein bestimmtes Land fest. Infrage käme jedenfalls Spanien, wohin sie bereits viele Kontakte und Kooperationen geknüpft hat. Bei der Planung und Durchführung von Forschungsaufenthalten mache man einen "Reifungsprozess" durch, meint Wagner. Um dann und wann ihre Gedanken nicht um Zahlen kreisen zu lassen, muss die Mathematikerin gezielt abschalten – beim Lesen oder beim Malen. Niemand versteht das besser als ihr Lebensgefährte, ebenfalls ein Mathematiker. (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.6.2009)