Wien - Der Politikwissenschafter Hubert Sickinger hat sein Standardwerk über die "Politikfinanzierung in Österreich" neu aufgelegt und errechnet, wie viel Geld die Parteien pro Jahr zur Verfügung haben. Ergebnis: Über öffentliche Förderung, Kammern und Mitgliedsbeiträge fließen jährlich mindestens 300 Mio. Euro. Außerdem haben die Parteien ihre staatlichen Finanzquellen über die Jahre sorgfältig gepflegt: Seit 1980 haben Bund und Länder ihre Parteienförderung mehr als vervierfacht. Die Löhne stiegen seither nur auf etwas mehr als das Zweieinhalbfache.

Einnahmenstärkste Partei ist weiterhin die ÖVP mit 114 Mio. Euro vor der SPÖ mit 109 Mio. Euro. FPÖ (32 Mio. Euro), Grüne (25) und BZÖ (14) müssen mit deutlich weniger Geld auskommen. Dies liegt - neben den höheren Mitgliedseinnahmen der beiden früheren Massenparteien - unter anderem auch daran, dass die Oppositionsparteien in den Kammern und in den Ländern weniger stark verwurzelt sind: Über die Wirtschaftskammer fließen heuer nämlich 15,6 Mio. Euro an die Parteien (davon 9,3 Mio. Euro an den ÖVP-Wirtschaftsbund), aus der Arbeiterkammer fließen 8,2 Mio. Euro (davon 5,3 an die SP-Gewerkschafter).

Parteien erhalten 185 Millionen im Jahr

Insgesamt erhalten die Parteien aus staatlichen Fördertöpfen heuer rund 184,92 Mio. Euro - davon 58,56 Mio. Euro vom Bund und 126,36 Mio. Euro von den Ländern. Besonders fürstlich fällt seit neuestem die Kärntner Parteienförderung aus: 30,4 Euro pro Stimmbürger fließen dort an die Parteien, allen voran das BZÖ. Auf Platz zwei folgt Wien mit 27,32 Euro, vor Oberösterreich mit 21,02 Euro pro Bürger. Dahinter folgen die Steiermark (19,9), Salzburg (17,42), Tirol (16,34), das Burgenland (14,75) und Vorarlberg (14,04). Auf Bundesebene beträgt die Förderung dann noch einmal 9,25 Euro pro Stimmbürger, womit die österreichischen Parteien in Summe beachtliche 29,2 Euro an Förderung pro Wähler bekommen.

Außerdem haben die Parteien nach Sickingers Berechnungen dafür gesorgt, dass selbst hohe Inflationsraten ihren Finanzen wenig anhaben können: Die Fördermittel des Bundes und der Länder wurden seit 1980 nämlich mehr als vervierfacht und sind damit deutlich stärker gestiegen als Inflation und Löhne. Die genauen Zahlen: Die Parteienförderung des Bundes stieg seit 1980 um 469 Prozent und jene der Länder um 412 Prozent, während die Löhne der Arbeiter und Angestellten nur um 178 Prozent zulegten. Zur Abdeckung der Inflation wäre überhaupt nur eine Verdoppelung nötig gewesen - wobei Sickinger betont, dass auch Parteien Lohnsteigerungen für ihre Mitarbeiter bezahlen müssen und eine bloße Inflationsabgeltung für sie daher einen Verlust bedeutet hätte.

Kürzung der Parteienförderung würde Korruptionsanfälligkeit erhöhen

Die Kürzung der Parteienförderung lehnt Sickinger ab, weil das die Korruptionsanfälligkeit der Politik erhöhen würde, wie er nicht zuletzt unter Verweis auf den "gewachsenen hohen Finanzbedarf" der Parteien schreibt. Allerdings fordert der Politikwissenschafter mehr Transparenz bei den Parteispenden (siehe eigene Meldung), die derzeit weitgehend im Dunkel liegen: Klar ist laut Sickinger nur, dass die Parteien insgesamt 32 Mio. Euro an Mitgliedsbeiträgen lukrieren (davon 18 die ÖVP und 13 die SPÖ). Die Einnahmen von Großspendern schätzt Sickinger für beide Großparteien auf einen zweistelligen Millionenbetrag - Quantifizieren kann er sie mangels Offenlegungspflicht aber nicht.

Sickinger für Reform nach deutschem Vorbild

Im Gespräch mit der APA regt Sickinger eine Reform nach deutschem Vorbild an: Damit würden die Namen aller Spender veröffentlicht, die einer Partei mehr als 10.000 Euro pro Jahr zukommen lassen. Bei Verstößen sind in Deutschland sowohl Geldstrafen für die Partei als auch Haftstrafen für die Verantwortlichen vorgesehen.

"Das ist im Grunde die einzige Möglichkeit, politische Korruption sanktionierbar zu machen", betont Sickinger. Dass einige "Wohltäter" im Fall der Veröffentlichung ihres Namens vor Spenden an Parteien zurückschrecken könnten, lässt Sickinger nicht gelten. Das wäre angesichts der hohen staatlichen Fördermittel für die Parteien von 184,92 Mio. Euro (ohne Kammern) wohl "kein Argument", betont der auf Parteienfinanzierung spezialisierte Politikwissenschafter.

In Deutschland müssen die Parteien Rechenschaftsberichte über ihre gesamte landesweite Organisation vorlegen. In Österreich sind zwar Rechenschaftsberichte der Bundesparteien vorgesehen, die Finanzen der Landesparteien sind darin aber nicht enthalten. Außerdem sind die Teilorganisationen der Parteien von dieser Rechenschaftspflicht nicht erfasst, womit finanzstarke ÖVP-Bünde (Wirtschaft, Bauern, Arbeitnehmer) oder die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG) ausgeklammert bleiben.

Offenlegung von Großspenden

Neben dieser umfassenden Bilanzierungspflicht für Parteien fordert Sickinger auch die Offenlegung von Großspenden. In Deutschland werden Parteispenden über 10.000 Euro jährlich auf der Homepage des Bundestages veröffentlicht (Spenden über 50.000 Euro müssen sofort veröffentlicht werden). Vorbildlich ist aus seiner Sicht auch die Regelung, dass Versuche, Spenden an der Öffentlichkeit vorbei zu schmuggeln, mit Strafen bis zum Dreifachen der Spendensumme geahndet werden.

Seit der Affäre um die "schwarzen Kassen" der CDU und die Annahme illegaler Spenden durch den früheren Parteichef und Kanzler Helmuth Kohl drohen in Deutschland außerdem Haftstrafen bis zu drei Jahren für den Versuch, Parteispenden zu verheimlichen. Sickinger plädiert auch in Österreich für die Umsetzung dieses Modells. Für ihn wäre das deutlich effektiver als beispielsweise ein schärferes Korruptionsstrafrecht für Parteien: "Die Frage ist einfach: wurde eine Spende deklariert. Wenn nicht, dann setzt es Sanktionen." (APA)