Wien - Auf den ersten Blick ist die Welt der Aktienbörsen eine äußerst transparente. Investoren werden geradezu erschlagen mit Informationen zu aktuellen Preissprüngen oder dem Volumen der gehandelten Aktien. Kaum eine Bewegung am Aktienmarkt bleibt unbeobachtet, gehandelt kann sekündlich werden.

Doch wo viel Licht ist, ist auch Schatten. In den vergangenen Jahren hat sich an den Aktienmärkten eine Praxis etabliert, die laut den Regulatoren - auf beiden Seiten des Atlantiks - das Potenzial besitzt, die Transparenz des vielbeachteten Aktienmarktes infrage zu stellen. "Dark Pools", dunkle Liquidität, ermöglichen den Aktienhandel abseits der öffentlichen und transparenten Börsen - dort wäre ja ersichtlich, zu welchem Preis und in welcher Größenordnung eine Aktie gehandelt wird. Diese dunklen Wasser sind ziemlich tief: In den USA wird rund jede zwölfte Aktie über Dark Pools gehandelt, 8,4 Prozent des gesamten Handelsvolumens.

Im Unterschied zu den Börsen werden hier allerdings nur wenige Daten an die Außenwelt weitergegeben. Das passt zu den kryptischen Namen, hinter denen sich die Anbieter der geheimen Liquidität verbergen. "Sigma X" heißt etwa der größte Dark Pool in den USA, betrieben von Goldman Sachs.

Auch in Europa auf dem Vormarsch

Dass die dunklen Liquiditätskanäle sich großer Beliebtheit erfreuen, liegt daran, dass besonders institutionelle Anleger wie Investmentfonds oder Banken auf Dark Pools ausweichen. Sie handeln oft große Aktienpakete, die auf dem klassischen Wege vielleicht zu Preissprüngen führen, die für sie Verluste bringen. Auf diese Weise versuchen sie zu verhindern, anderen Marktteilnehmern einen Tipp über die eigenen Trades zu geben.

Ein wesentlich wichtigerer Faktor könnte aber die immer stärkere Bedeutung von großen auf mathematische Algorithmen gestützten Playern sein. Diese handeln zwar nicht derart große Mengen, aber dafür äußerst schnell. Zahlreiche Hedgefonds bedienen sich dieser hochfrequenten Handelsmodelle.

Die geheimen Handelssysteme spielen nicht nur in den USA eine große Rolle. Auch in Europa sind sie auf dem Vormarsch. Turquoise, eine Aktien-Tradingplattform, hat im Mai von britischen Regulatoren das Okay erhalten, einen Dark Pool aufzusetzen. Tatsächlich wachsen die Dark Pools in Europa mit einer Geschwindigkeit, dass auch die Europäische Kommission die Versorger der dunklen Liquidität unter die Lupe nehmen möchte.

Untersuchungen drohen

Die zentrale Befürchtung ist auch die Folge des geheimen Handelns auf die Preisfindung an den Aktienmärkten. Die Vorsitzende der SEC in den USA, Mary Schapiro, versprach vor einer Woche eine Untersuchung der Dark Pools. "Der Mangel an Transparenz (von Dark Pools, Anm.) hat das Potenzial, das öffentliche Vertrauen in die Aktienmärkte zu erschüttern", hat Schapiro deutlich gemacht. In Brüssel kündigte ein Sprecher von EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy an, die Kommission sehe "dringenden Untersuchungsbedarf". Auf beiden Seiten des Atlantiks startet aber erst die Erkundungstour der dunklen Ecken des Aktienmarktes. (Lukas Sustala, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.6.2009)