Womit muss man in Österreich rechnen, wenn man geschützte Filme und Musik aus dem Netz saugt?

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Was haben Piraten in .at zu fürchten?

Seit dem umstrittenen Urteil gegen die Betreiber des BitTorrent-Trackers The Pirate Bay und der Schadenersatzforderung von 1,9 Millionen Dollar gegen eine US-amerikanische Filesharerin wird das Thema heftiger als zuvor diskutiert. Die schwedische Piratenpartei erhielt genug Stimmen für den Einzug ins EU-Parlament und in Deutschland wechselte ein SPD-Abgeordneter zu den Piraten. Enorme Schadenersatzforderungen, umstrittene Gesetzesentwürfe und Anti-Filesharing-Propaganda sorgen unter Usern für Unsicherheiten. Was ist erlaubt und welche Strafen muss man fürchten?

Der WebStandard hat bei Andreas Manak, Rechtsberater des Vereins für Antipiraterie, Jurist Franz Schmidbauer, Betreiber der Plattform Internet4Jurists.at und Max Lalouschek von der Piratenpartei Österreichs nachgefragt.

derStandard.at: Macht man sich in Österreich strafbar, wenn man Musik oder Filme aus dem Netz herunterlädt?

Andreas Manak: Das Herunterladen für private Zwecke ist nicht strafbar, der Rechteinhaber kann aber gegen den Downloader eine Unterlassungsklage wegen unzulässiger Vervielfältigung einbringen.

Franz Schmidbauer: Der Download ist mit Sicherheit nicht strafbar. Ob er völlig legal ist oder untersagt werden könnte (zivilrechtliche Unterlassungsklage) ist umstritten. Es gibt dazu keine passende Judikatur. Diese Frage ist auch eher von theoretischer Bedeutung. Verfolgt werden nämlich in der Regel nur Power-User und um große Mengen herunterladen zu können, muss man bei den meisten Programmen zwingend auch Uploaden (das ist ja das Prinzip einer Tauschbörse). Viele User übersehen auch einfach, dass im Hintergrund standardmäßig der Upload läuft. Verfolgt wird dann regelmäßig das Anbieten, aber nicht der Download. Es ist auch einfacher, den Anbieter auszuforschen als den Downloader. Wer sich nur gelegentlich einen Song aus einer Tauschbörse herunterlädt und verhindert, dass sein auf dem PC gespeichertes Musikarchiv über die Tauschbörse angeboten wird, braucht mit ziemlicher Sicherheit nichts zu befürchten.

Max Lalouschek: Klar ist, dass der Download von geschützten Computerprogrammen oder der Download für kommerzielle Zwecke verboten ist. Hinsichtlich des Downloads von urheberrechtlich geschützten Material, wie Filmen oder Musik, ausschließlich zum eigenen, nicht gewerblichen Gebrauch gibt es unterschiedliche Auffassungen, da das Gesetz diesbezüglich uneindeutig ist. Strafbar ist die Privatkopie jedenfalls nicht, aber es ist ungeklärt, ob nicht Schadenersatz zu leisten ist. Wir befürworten daher eine gesetzliche Klarstellung, die die Privatkopie erlaubt, bei gleichzeitiger, gerechter Kompensation der KünstlerInnen, wie das ja schon bisher beispielsweise im Wege der Leerkassettenvergütung teilweise erfolgt.

derStandard.at: In einigen deutschen Foren geistern Meldungen, dass User verklagt wurden, weil sie sich Filme auf Streaming-Plattformen wie kino.to angesehen haben. Ist da was dran?

Manak: Beim Streaming wird auf dem PC, auf dem der Film angesehen wird, eine begleitende, flüchtige Kopie erzeugt. Auch das ist wohl nicht strafbar, solche flüchtigen (d.h. nicht permanenten) Kopien sind aber nur im Rahmen einer rechtmäßigen Nutzung zulässig. Da kino.to kein rechtmäßiges Angebot ist, können Nutzer des Angebots auf Unterlassung geklagt werden.

Schmidbauer: Das bloße Ansehen ist urheberrechtlich nicht erfasst und damit völlig frei. Eine dem Urheber vorbehaltene Verwertungsart wäre etwa das Vervielfältigen (Kopieren); dieses geschieht beim Streamen aber nur als flüchtige Kopie im Arbeitsspeicher, die wiederum von § 41a UrhG als freie Werknutzung toleriert wird.

Lalouschek: Hier stellt sich die Problematik mit dem deutschen Recht, wonach der Download ja strafbar ist. Es ist daher gut möglich, dass deutsche User deswegen auch belangt wurden. In Österreich wäre das angesichts der schwierigen gesetzlichen Lage jedoch nicht denkbar.

derStandard.at: Viele User sind auch der Meinung, dass schon die Software fürs Filesharing, als etwa BitTorrent-Tracker, illegal ist. Was stimmt?

Manak: Der Besitz einer Software fürs Filesharing ist meines Erachtens nicht illegal, es kommt darauf an, was mit dieser Software gemacht wird.

Schmidbauer: Mir ist keine Norm bekannt, die den Besitz verbieten würde. Ein Tauschbörsenprogramm kann ja auch ganz legal zum Tausch freier oder eigener Werke eingesetzt werden.

Lalouschek: Datenübertragung mittels Bittorrent ist eine reine Peer-to-Peer-Verbindung zwischen mehreren Benutzern über eine zentrale Verwaltungliste. Das bedeutet, dass Benutzer untereinander Daten bereitstellen und von einander herunterladen. P2P-Netzwerke können für jeglichen Inhalt genutzt werden und sind somit nicht automatisch dazu konzipiert urheberrechtlich geschützte Inhalte auszutauschen. Beispielweise werden hierdurch auch Filme und Musik unter Creative Commons Lizenz oder gar freie Programme vertrieben. Diejenigen, die die Behauptung aufstellen, dass solche Programme an und für sich schon illegal wären, kommen üblicherweise aus den Verwertungsgesellschaften.

derStandard.at: In den USA sorgt derzeit der Fall einer Frau für Aufsehen, die für 24 Songs 1,9 Millionen Dollar Schadenersatz zahlen soll. Ist so ein Urteil auch in Österreich denkbar?

Manak: Ja, so ein Urteil ist auch in Österreich denkbar. Das US-Gericht hat angenommen, dass jeder der Songs durchschnittlich von 80.000 anderen Usern herunter geladen wird. Wenn eine Kopie USD 1,-- kostet, errechnet sich daraus der Schadenersatz. In Österreich gibt es sogar ein gesetzliches Pönale in der doppelten Höhe des angemessenen Entgelts.

Schmidbauer: Das ist typisch amerikanisch und nach österreichischem Recht nicht vorstellbar. Zur tatsächlichen Höhe gibt es aber keine Rechtsprechung. Bei den bisherigen Verfahren, die überwiegend mit Vergleich geendet haben, ging es meist um einige tausend Euro, die für den konkreten Täter meist auch abschreckend genug wirken.

Lalouschek: Die USA haben das System der sogenannten "punitive damages". Das bedeutet vereinfacht, wenn jemand zu einer Zahlung wegen Schadensersatz verurteilt wird, muss nicht nur den tatsächlich entstandenen Schaden wiedergutmachen. Diese Zahlung hat auch den Charakter einer Strafe und ist daher unter Umständen wesentlich höher. In Österreich muss nur der tatsächlich entstandene Schaden beglichen werden, wobei es hier Bestrebungen seitens der Musikverwertungsindustrie gibt, dass eine Art Pauschale eingeführt wird. Der tatsächlich entstandene Schaden in so einem Fall ist allerdings schwer zu beziffern. Strafhöhen wie sie in den USA vorkommen sind in Österreich jedenfalls ausgeschlossen.

derStandard.at: Wird in Österreich überhaupt gegen private Filesharer vorgegangen?

Manak: Grundsätzlich können private Filesharer leicht über ihre IP-Adresse ausgeforscht und verfolgt werden. Ob das gemacht wird, hängt von der Strategie der jeweiligen Rechteinhaber ab. Es hat Zweifel gegeben, ob die Telekom-Unternehmen und ISPs berechtigt bzw. verpflichtet sind, Auskunft zu geben, welchem User eine bestimmte IP-Adresse gehört. Diese Zweifel sind aber durch die Entscheidung des EuGH vom 19. 2. 2009 zu C-557/07 ausgeräumt worden.

Schmidbauer: Bis Ende 2007 gab es zahlreiche Fälle, die nach der Ausforschung des Täters im Wege eines strafrechtlichen Vorverfahrens meist mit einer gütlichen Einigung im Sinne von Zahlung eines bestimmten Geldbetrages ohne weiteres Verfahren geendet haben. Seit 2008 ist die Ausforschung der Täter auf dem strafrechtlichen Weg aufgrund einer Änderung der Strafprozessordnung nicht mehr möglich (kein Ermittlungsverfahren bei Privatanklagedelikten). Wenn die Provider daher die Daten (Nutzer einer bestimmten IP-Adresse zum Tatzeitpunkt), die sie nach der Meinung der Datenschutzkommission in den meisten Fällen (Flatrate) gar nicht haben dürften, nicht freiwillig herausgeben, kann der anonyme Nutzer einer Tauschbörse derzeit nicht ausgeforscht werden. Ein Musterprozess hinsichtlich einer zivilrechtlichen Auskunftspflicht liegt derzeit beim Obersten Gerichtshof. Außerdem bemühen sich die Rechteinhaber um eine Änderung der Gesetzeslage. Es kann daher durchaus sein, dass die Daten der Tauschbörsennutzer noch im Laufe dieses Jahres wieder herausgegeben werden müssen.

Lalouschek: Vor allem die Musikverwertungsindustrie hat in der Vergangenheit oft einzelnen ihrer KundInnen schriftlich mit Klagen gedroht. In allen uns bekannten Fällen wurde dann ein Vergleich geschlossen, wobei es soweit wir wissen um Summen im Bereich von einigen 1000 Euros ging. Da vor allem die Musikverwertungsindustrie Up- und Download gerne vermischt und es unseres Wissens nie eine gerichtliche Klärung im Fall von Downloads für private Zwecke gegeben hat, kennen wir keine Details. Vor wenigen Monaten hat ein Vertreter der Musikverwertungsindustrie in einem Interview angegeben, man hätte aufgehört, KundInnen mit Klagen zu bedrohen.

derStandard.at: Kann man als Österreicher auch von ausländischen Rechteinhabern für die Verbreitung von geschütztem Material über das Internet angeklagt werden?

Manak: Nach dem österreichischen Urheberrecht können Rechtsverletzungen in Österreich verfolgt werden, unabhängig davon, ob der Rechteinhaber selbst seinen Sitz in Österreich oder im Ausland hat.

Schmidbauer: Ja, das geschieht auch immer wieder.

Lalouschek: Eine kurze Antwort ist darauf schwer möglich, da sehr viele verschiedene Fragen geklärt werden müssen: Welchem Recht unterliegt der Rechtinhaber, wo ist der Begehungsort (der Computer daheim, der Server – das kann in verschiedenen Ländern verschieden festgelegt sein), gibt es internationale Übereinkommen, wo ist der Gerichtsstand, welches Recht kommt zur Anwendung uvm. Im Fall eines Urteils außerhalb der EU ist auch die Vollstreckung fraglich. Zu bedenken ist auch, dass die Verwertungsgesellschaften normalerweise exklusiv für den Staat zuständig sind, wo sie sitzen. Kurz gesagt, es ist nicht auszuschließen, aber auch nicht wahrscheinlich. (Birgit Riegler/ derStandard.at, 29. Juni 2009)