"Domestic Life" , häusliches Leben, interpretiert von der in Teheran lebenden Künstlerin Shadi Ghadirian.

Foto: ACFNY

Zu sehen ist sie bis 29. August im Österreichischen Kulturforum.

New York – Asma Ahmed Shikoh trug in ihrer Heimat Pakistan nie einen Schleier. Erst Jahre nach ihrer Einbürgerung in die Vereinigten Staaten begann die Künstlerin, ihr Haar zu bedecken – und Bedeckungen in ihren Arbeiten zu verwenden.

Die in Sofia geborene und in Wien lebende Adriana Czernin war vom Schleier immer fasziniert, weil er "etwas versteckt, aber nie so dicht ist, dass die Verschleierte nicht nach außen sehen kann" . Gleichzeitig werde sie geschützt und gebe ihre Emotionalität nicht preis. Czernin thematisiert die Spannungen zwischen der Be- und Entdeckung des Körpers.

Der irakische Künstler Ayad Alkadhi wuchs im Mittleren Osten und in England auf, lebt in New York und stellt in seiner Kunst die sozialen und politischen Themen des Islams dar, eben auch das SichVerhüllen: "Ich will Menschen helfen, den Ursprung dieser Tradition besser zu verstehen" , etwa durch Collagen westlicher und arabischer Medien und kalligrafischer Techniken. "Das Urteil bleibt dem Betrachter überlassen."

Die Arbeiten dieser drei sowie von zwölf weiteren Kunstschaffenden sind zurzeit im Österreichischen Kulturforum New York ausgestellt.

Wer einem tradierten Kulturvermittlungsbegriff anhängt und nationale Leistungsschau erwartet, den mag The Seen and the Hidden: (Dis)Covering the Veil im Vorzeigebau österreichischer Identität mitten in der Metropole irritieren. Doch vor Ort weiß man, dass eine offensive Beschäftigung mit aktuellen Themen, unabhängig von deren "Herkunft", die beste Aussicht auf Beachtung hat. Dazu kommt, dass sich das Kulturforum mit dieser Ausstellung in den breiteren Reigen des New Yorker Muslim Voices Festival eingeklinkt. Seine renommierten Partner: Brooklyn Academy of Music, Asia Society und Center for Dialogues der NYU.

"Die Ausstellung wurde bereits vor einem Jahr konzipiert", sagt Forumsleiter Andreas Stadler, "aber schon damals war klar, dass es zu einem Dialog zwischen dem Westen und der arabischen Welt kommen muss, zu einem kulturellen Abrüstungsprozess der USA." Obamas Rede an der Universität Kairo habe der Schau zusätzliche Aktualität verliehen. Außerdem, so Stadler, gehe es ja nicht um die islamische Welt, sondern um unseren Blick auf den Orient. Es nehmen auch mehrheitlich im Westen lebende KünstlerInnen teil, sechs von ihnen kommen aus Wien.

Gezeigt werden Installationen und Skulpturen unter Verwendung von Schals und Tschadors; Drucke, Fotos und Videos, die sich, mitunter auch ironisch, mit dem Verhüllen auseinandersetzen. Die Österreicherin Marlene Haring etwa thematisiert die Doppelfunktion von Haaren, die verhüllen und Nacktheit assoziieren. Because every hair is different nennt sie ihr Foto einer ganzkörperbehaarten Frau; eine Chaiselongue ist durch eine haarige Matte fast zur Unkenntlichkeit verfremdet.

Keine Provokation, sondern "Celebration" wünschten sich die Muslim Voices als Schirmherren der Schau, bedauert Kokuratorin Karin Meisel. Deshalb durfte das Video Undressing der in Wien lebenden Künstlerin Nilbar Güres, in dem eine Frau ein Kopftuch nach dem anderen abnimmt, nicht auf einem großen Schirm am Times Square, sondern nur im Kulturforum gezeigt werden.

Aufsehen erregt die Ausstellung allemal. Sie trotze Stereotypen, schreibt die New York Times in einer Aufmachergeschichte und zitiert Kokurator David Harper, der sich über diese künstlerische Auseinandersetzung ausgerechnet in Amerika freut. (Martha Kirszenbaum, die dritte Kuratorin der unter muslimischem Vorzeichen stehenden Schau, ist übrigens jüdischer Abstammung – auch das ist New York ...)

City Arts, New Yorks monatliche Review of Culture, beurteilt die Schau in ihrer Titelgeschichte kritischer: Sie verstärke Stereotypen, sei zu soziologisch und zu wenig tiefgehend. Allerdings ist auch sie von Marjane Satrapis grafischem Roman Persepolis angetan.

Nun ist zwar nicht jede Publicity gleich gute Publicity. Doch das Kulturforum hat einen weiteren Schritt unternommen, mit beschränkten Mitteln Präsenz in den umkämpften Kulturquadratmeilen Manhattans zu signalisieren. (Michael Freund, DER STANDARD/Printausgabe, 30.06.2009)