Wo Kia draufsteht ist auch Kia drin - auchg wenn die Verpackung zu Beginn davon ablenken mag.

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Die alteingesessene Automobilindustrie verdaute Anfang der 1990er Jahren gerade die, zwei Jahrzehnte zuvor begonnene, Offensive der japanischen Hersteller und schon erfolgte ein weiterer Angriff aus Fernost. Die koreanischen Marken Hyundai, Daewoo und Kia brachten Fahrzeuge nach Europa, die sich durch zuverlässige Technik und günstige Preise auszeichneten. Die Geschichte wiederholte sich: Zuerst belächelt und nicht ernst genommen, unterwanderten diese Modelle lange Zeit unbemerkt den Markt. Das Image dieser Fahrzeuge, das sich zu Beginn ungefähr auf dem Niveau der Lada-Pkw-Modelle befand, wandelte sich: Wer ein Auto aus Korea fährt, gilt heute als kostenbewusster Fahrzeugbesitzer. Er verlangt von seinem Auto jene Qualitäten, die ein zuverlässiges Fortbewegungsmittel gewährleisten soll - und nicht mehr.

Problemlose Technik, vergleichsweise günstige Preise und dazu passende sparsame Motoren sind die Hauptmerkmale der Kia-Modelle. Ab sofort führen die Koreaner jedoch ein weiteres Kaufargument ins Treffen: Trendiges Design, mit dem man neue, wahrscheinlich auch jüngere Käuferschichten motivieren will. War der Kauf eines Kia-Modells bislang eine Kopfentscheidung, so soll nun der Bauch sein Mitsprachrecht bekommen - oder anders gesagt: Zum kühlen Rechner kommen nun auch jene Kunden hinzu, die ihr Fahrzeug mit Leidenschaft auswählen. Folgerichtig heißt der erste serienmäßige Vertreter dieser neuen Richtung Kia Soul.

Das Fahrzeug, das uns von Kia Österreich übergeben wurde, übertraf unsere Erwartungen: Uns hätte die ungewöhnlich kantige Karosserie schon in den kreativ benannten Farbtönen „Vanilla Shake" oder „Green Tea Latte" gereicht, unser Soul erstrahlte hingegen in knalligem „Tomato Red"und, als wäre das nicht schon auffällig genug, hatte man Tattoo-Folien aufgezogen. Schlichtweg sensationell waren die 18 Zoll-„Burner"-Felgen, die dem Kia einen gewissen Retro-Touch verleihen. Der Soul nimmt sich zwar nicht offensichtlich ein bestimmtes klassisches Modell zum Vorbild, dennoch hat man beim Betrachten die vage Ahnung, Ähnliches schon gesehen zu haben, ohne das wirklich zuordnen zu können. Auch im Gesamtkonzept des Soul gingen die Kia-Techniker ähnlich subtil vor und lassen sich nicht festnageln: Der Soul lässt sich in keine Schublade stecken, ist kein Kompaktwagen, kein Mini-Van und schon gar kein SUV.

Im Innenraum wird das äußere Erscheinungsbild weitergeführt. Das Armaturenbrett präsentiert sich in einer ungewöhnlichen Kombination aus Rot und Grau, wobei man sich die Frage stellt, inwieweit sich diese Farbtöne jahrelanger Sonnenbestrahlung widersetzen werden können. Bei genauerem Hinsehen beschränkt sich das Überraschungsmoment dann auf diese Farbkombination: Stellen Sie sich das Soul-Armaturenbrett in einem schlichten Dunkelgrau oder Schwarz vor und Sie werden wahrscheinlich relativ unbeeindruckt bleiben. Zusammen mit der Tatsache, dass alle Bedienungselemente dort sind, wo man sie erwartet und keine Eingewöhnung erfordern, gestattet diese Erkenntnis einen Blick hinter das Geheimnis Soul: Im Grunde handelt es sich dabei um einen grundsoliden Kia, der durch einige gewagte Designmaßnahmen so anders, so attraktiv wirkt. Unter der kantigen Karosserie versteckt sich die gewohnte biedere Zuverlässigkeit, obwohl die Koreaner keine (optional verfügbare) Möglichkeit auslassen, um davon abzulenken. Manchmal auf fast schon kindische Art - wer benötigt in einem Auto Lautsprecherboxen, die im Rhythmus der Musik rot blinken -, manchmal in verblüffender Weise, denn eine Rückfahrkamera, deren Bild in den Rückspiegel projiziert wird, hätten wir in diesem Fahrzeug nicht erwartet.

Die ungewöhnliche Karosserieform dient in Kombination mit dem relativ langen Radstand von 2,55 Meter auch einem ganz praktischen Zweck: Fünf Personen finden im 4,10 Meter langen Soul bequem Platz, auch die Fondpassagiere verfügen über ausreichende Kopf- und Kniefreiheit. Der Gepäckraum stellt mit 340 Litern kein unbeschränktes Fassungsvermögen zur Verfügung, den meisten Aufgaben im Alltag wird er allerdings gerecht. Für den Transport größerer Gegenstände kann die Rücksitzbank umgelegt werden, wodurch sich das Volumen auf bis zu 700 Liter erhöht. Überdies ist die Rundumsicht durch die schlanken A- und B-Säulen hervorragend und das Einparken aufgrund der klaren Kanten eine leichte Übung.

Angetrieben wurde unser Soul vom 115 PS starken 1,6 Liter-CRDi-Dieselaggregat, das auch in einer 90 PS-Version lieferbar ist. Wobei uns letzteres weniger ratsam erscheint, da der stärkere Motor genau jene Kraft entfaltet, die dem selbstbewussten und dynamischen Auftritt entspricht und auch optimal mit dem leicht sportlich ausgelegten Fahrwerk harmoniert. Die Federung ist eher auf der straffen Seite, ohne dabei den Fahrkomfort zu beeinträchtigen, die Karosserieneigung trotz des hohen Aufbaus gering.

Man neigt zumindest anfangs dazu, eine forschere Gangart an den Tag zu legen, die der Soul auch gerne erlaubt und in Grenzsituationen dank serienmäßigem ESP entschärft. Wer wirklich sportlich unterwegs sein will, kann in ein Sportfahrwerk investieren, das dem Soul dann tatsächlich ein Go-Kart-artiges Fahrverhalten verleiht. Nach einiger Zeit am Steuer legt sich die Aufregung des ersten Kennenlernens und jener Gedanke, mit dem man schon länger gespielt hat, verfestigt sich: Der Soul erweist sich als grundehrliches Fahrzeug. Blendet man die Optik aus, bleibt ein echter Kia übrig - mit allen Qualitäten, die man von ihm erwartet: Zuverlässigkeit, eine gute Verarbeitung und ein sparsamer Motor. Letzteres bewies der Testverbrauch, der mit 5,2 l/100 km (137 g/km CO2) genau der Werksangabe entsprach. Wobei in dieser Hinsicht das letzte Wort noch lange nicht gesprochen ist: Das Start/Stopp-System, das bereits im cee´d ISG verfügbar ist, soll in naher Zukunft auch in den Soul übernommen werden. Und bereits im kommenden Jahr will Kia eine Hybridversion des Modells vorstellen.

Ausstattungstechnisch blieben bei unserem Testfahrzeug keine Wünsche offen, schließlich handelte es sich dabei um die Topausstattung „Active Pro", die mit zusätzlichen Goodies angereichert war. Zu serienmäßigen Features wie einem Sicherheitspaket (bestehend aus ESP, einer langen Liste an Airbags und ISOFIX-Kindersitzbefestigungen), elektrisch verstell-, beheiz- und einklappbaren Außenspiegeln, einer Klimaanlage, Sitzheizung für Fahrer und Beifahrer und einem MP3-fähigen CD-Radio mit sechs Lautsprechern, kamen die Innenausstattung Burner Red (die für den Active Pro optional und kostenfrei zu bestellen ist), das Sound&Kamera-Paket (unter anderem mit der Rückfahrkamera) um 1.000,- Euro (inkl. Steuern) und das Drachen-Tattoo um rund 200,- Euro plus Montage dazu.

Eines hat sich mit dem Richtungswechsel Kias und der neuen Ausrichtung auf designbetonte Modelle verändert: Ein Sonderangebot ist der Kia Soul (zumindest in der gefahrenen Version) nicht. Am Preiszettel unseres Testexemplars steht die Summe von 22.490,- Euro (inkl. NoVA und MwSt.), wobei die oben erwähnten Extras noch nicht inkludiert sind. Das Dieselaggregat fällt hier allerdings am meisten ins Gewicht, denn wer den Benziner in der Grundausstattung kauft, kommt schon mit 14.990,- Euro davon. Dass sich die neue Modellphilosophie auch in der Kia-Preispolitik niederschlagen wird, ist klar. Dafür bekommen die Kunden nun auch ein feineres Gesamtpaket, das gewohnte Zuverlässigkeit nun deutlich attraktiver verpackt. (saubereAutos.at)