Das Gesicht zum Lied aus der Werbung: Anna F. Das soll aber noch lange nicht alles gewesen sein. Im Herbst erscheint das Debütalbum der jungen Neo-Wienerin.

Foto: Christian Fischer

Ihrem Song "Time Stands Still", einem Werbespot und Lenny Kravitz sei's gedankt.

Wien – Das Café Drechsler spielt im Leben der Anna Wappel eine schicksalhafte Rolle: einmal wegen der so benannten Band, einmal wegen des gleichnamigen Wiener Kaffeehauses. Dazu gleich mehr. Anna Wappel nennt sich Anna F., ist 24 und kommt aus der oststeirischen Gemeinde Friedberg. Seit mit ihrem Song Time Stands Still der Werbespot einer heimischen Bank unterlegt wurde, darf man ihre Geschichte nach der ebenfalls aus der Steiermark kommenden Anja Plaschg alias Soap & Skin als zweites heimisches MySpace-Wunder bezeichnen. Aber nicht nur ihr Internetauftritt verzeichnet wegen dieses Songs enorme Zugriffszahlen, sogar der US-amerikanische Star Lenny Kravitz wurde ihr Fan und Förderer.

Im Café Drechsler sitzend erzählt Anna F.: "Der Raiffeisen Club Tirol hat ein Lenny-Kravitz-Konzert in Innsbruck veranstaltet und wollte, dass ich im Vorprogramm spiele. Das Management von Kravitz meinte, er würde sein Vorprogramm selbst bestimmen. Zwei Wochen vor dem Konzert kam dann unerwartet eine Zusage: Aus musikalischen Gründen hätte man sich für mich entschieden. Cool. Lenny hat dann unseren Soundcheck besucht, gemeint, das würde ihm sehr gut gefallen, und gefragt, ob ich nicht am nächsten Tag auch in Wien spielen möchte. Fünf Minuten später war das geritzt. Und nach dem Wien-Konzert hat er uns zu sich gebeten und uns an-geboten, noch weiter mit ihm auf Europatournee zu gehen."

Harte Arbeit

Begonnen hat alles 2005 in Graz. Damals folgte die Studentin dem Klang einer Band, die im Stadtpark spielte. Es war die Wiener Jazz-Groove-Formation Café Drechsler. Dort lernte sie den Drechsler-Schlagzeuger Alex Deutsch kennen. Bereits am nächsten Tag arbeitete sie am ersten gemeinsamen Stück. Anna F.: "Alex und ich haben nun vier Jahre fast jeden Tag hart gearbeitet. Es war nicht immer leicht, Partner zu finden, die bedingungslos mitmachten. Vor allem, solange man keinen Erfolg hat. Wir haben aber immer gesagt, wir suchen nicht, wir lassen uns finden."

Time Stands Still, der Song, der alles ins Rollen gebracht hat und für den sie seit dieser Woche Amadeus-nominiert ist, entstand beim Spazierengehen, der Text dazu – man ahnt es! – im Café Drechsler. "Das war einer von zwei Songs meiner MySpace-Seite. Die Agentur, die für Raiffeisen die Werbung macht, hat ihn entdeckt, so ist das passiert."

Es ist ein poppiger Folksong mit hübscher Melodie und ebensolchem Gesang. Im Herbst soll nun das in New York entstandene Debütalbum folgen, mit "melancholischen und rockigen Songs" , so Anna F., die das Wort "rockig" zart englisch ausspricht.

Die momentane Aufregung um ihre Person zeitigt aber nicht nur Positives. Im Buntpapier Österreich war ein Interview mit ihr abgedruckt, das sie nie gegeben hat, und andere Medien reduzieren sie bisher auf eine hübsche junge Frau, die halt zufällig auch Musik macht. Anna F. seufzt und fragt: "Was soll ich machen? Das ist traurig, das ärgert mich, aber egal, was man sagt, sie nehmen nur das raus, was sie hören wollen – und im Radio kann man sowieso zusammenschneiden, was man will."

Mit Anna F. und ihrer siebenköpfigen Band hat die blühende heimische Singer-Songwriter-Szene jedenfalls ein weiteres Aushängeschild. Eine künstlerische Nähe empfindet sie zu Musikerinnen wie Clara Luzia, dem bei FM4 arbeitenden Kanadier John Megill (and the Anna Band!) oder Mika Vember. Live erleben konnte man sie in Wien schon oft. Im Club Sandwich, im B72, ist sie regelmäßig aufgetreten: "Zuerst vor zehn, später vor 100 Leuten, dann kamen auch schon Label-Menschen aus dem Ausland wegen uns."

Zusammenhänge und Ziele

Angst, den Hype nicht unbeschadet zu überstehen, hat die mit der Musik von Jeff Buckley, Bob Dylan oder Led Zeppelin aufgewachsene Musikerin nicht: "Jetzt sind eh alle auf Urlaub, und wenn im Herbst dann das Album kommt, geht das Ganze ja von vorn los." Gedacht wird in größeren Zusammenhängen. Neben dem deutschen und dem Schweizer Markt gibt es Kontakte nach Frankreich, Großbritannien und in die USA. Auch Kravitz hat weiterhin Unterstützung angeboten. Groß ist auch Anna F.s Ziel: "Ähm – ich würde gerne einmal mit Jimmy Page auf der Wembley Stage spielen."

Immerhin hat es ungefragt schon mit Lenny geklappt hat, und wie heißt's in einer anderen Werbung so schön: Was wären die großen Erfolge ohne die kleinen? (Karl Fluch, DER STANDARD/Printaugsabe, 17.07.2009)