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Mozilla Pins by flod / Flickr.com

Es ist wohl das derzeit erfolgreichste Open-Source-Projekt: Bei Mozilla hat man etwas vollbracht, das viele BeobachterInnen Anfang des Jahrzehnts noch für unmöglich gehalten hätten: Mit dem Firefox wurde der Allmacht des Internet Explorers im Browsermarkt ein Ende bereitet, und so Innovationen in diesem Bereich ein frischer Wind verliehen. Vor kurzem hat man mit dem Firefox 3.5 eine neue Version der Software veröffentlicht, zu einem Zeitpunkt an dem noch kein Ende des Aufwärtstrends in Sicht ist. Weltweit rangiert man nun irgendwo zwischen 20-25 Prozent Marktanteil, in Europa zum Teil noch deutlich höher. Unter den LeserInnen von derStandard.at hat der Firefox vor einigen Wochen gar den Internet Explorer als Nummer 1 abgelöst.

Am Rande des Gran Canaria Desktop Summit hatte Andreas Proschofsky die Chance mit Mozillas Open Source Evangelist, Christopher Blizzard, ein ausführliches Gespräch zu führen. Das folgende Interview gibt es auch wieder im englischen Original.

derStandard.at: Vor kurzem wurde Firefox 3.5 veröffentlicht. Wie zufrieden sind Sie mit den Reaktionen darauf?

Christopher Blizzard: Ganz persönlich bin ich ziemlich entzückt. Nicht nur dass wir - wie ich meine - ein ziemlich gutes Upgrade für Firefox 3 abgeliefert haben, es ist uns außerdem gelungen die Release mit ihrer Relevanz für die Zukunft des Webs im Allgemeinen zu verbinden. Thematisch war Firefox 3 vor allem ein Update für BenutzerInnen, die mehr vom Browser wollten, bei 3.5 geht es mehr um die Zukunft, darum der Web-Plattform neue Fähigkeiten zu spendieren, damit spannendere Services gebaut werden können.

derStandard.at: Wie kann man das mit Firefox 3.5 postulierte "Upgrade the Web" erreichen, wenn andere große Browser nicht die selbe Funktionalität bieten, Web-EntwicklerInnen sich also nicht auf eine breite Unterstützung verlassen können?

Blizzard: Wir versuchen so langfristig wie möglich zu denken, insofern wollen wir zunächst einmal zeigen, was heutzutage mit unserem Browser so alles möglich ist. Auch gibt es durchaus schon Leute, die die neuen Funktionen für spezielle Anwendungen verwenden, auch wenn das natürlich nicht bedeutet, dass Facebook oder andere große Seiten von heute auf morgen auf die Unterstützung des Internet Explorer verzichten werden. Aber das zentrale Ziel für uns ist es ohnehin Druck auf die Mitbewerber auszuüben, und wir gehen auch tatsächlich davon aus, dass die anderen schnell nachziehen werden.

Allerdings bewegt sich beim Internet Explorer noch immer nicht sonderlich viel. Microsoft hat zwar den IE8 veröffentlicht, der ein paar wichtige Verbesserungen in Hinblick auf CSS bringt, aber ganz ehrlich: Viel mehr ist da nicht. Wenn wir die Entwicklung konsequent vorantreiben, bleiben Microsoft zwei Möglichkeiten: Entweder verliert der Internet Explorer immer stärker Marktanteile, wodurch sie wiederum die Kontrolle über das Web aufgeben, oder sie können verstärkt investieren. Und selbst wenn sie ein paar Jahre brauchen, bis sie aufholen - wir sind geduldig.

Auch sollte man nicht unterschätzen, welch kreatives Lösungspotential es für solche Schwierigkeiten gibt, etwa wenn dem Internet Explorer von extern Canvas-Support beigebracht wird, oder Open Video bei Webseiten so implementiert wird, dass Flash verwendet wird, wenn Open Video vom Browser nicht unterstützt wird.

derStandard.at: Open Video ist ja eine der großen Neuerungen von Firefox 3.5. Wie will man aber die VideoseitenbetreiberInnen dazu bringen, das auch zu unterstützen?

Blizzard: Durch bessere Tools und eine bessere User Experience. Einige der Sachen, die wir mit Open Video machen können, sind mit Flash nur sehr schwer zu realisieren. Außerdem ist die Technologie recht einfach zu implementieren, das haben wir bereits bei Daily Motion gesehen, wo das in sehr kurzer Zeit umgesetzt wurde. Video-Blogger werden wohl die ersten sein, die Open Video unterstützen, der Rest kommt dann nach und nach - wie viele andere Entwicklungen im Web auch. Auch hängt sich der Erfolg von Open Video ja nicht nur daran auf, ob es von großen Seiten unterstützt wird, es geht um die Frage, ob damit das Web als Plattform voran getrieben wird, neue Möglichkeiten eröffnet werden.

Was die Qualitätsfrage angeht, denk ich, haben wir gezeigt, dass unsere Investitionen in offene Videoformate, diese auf Augenhöhe mit den derzeit besten verfügbaren Lösungen gebracht haben. Insofern bin ich überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis große Seiten das unterstützen.

Nehmen wir einen Vergleich: Bilder im Web? Darüber redet kein Mensch, PNGs, JPEGs und GIFs - ohne Patentansprüche, jeder nutzt sie, es gibt tausende Tools um damit zu arbeiten. Leider ist das derzeit bei Videos nicht so, vieles davon ist proprietär, außerdem gibt es ja auch einige Plattformen, auf denen es gar kein Flash gibt. Was wir also erreichen wollen, ist, dass es so eine Art Basis-Format für Videos gibt, etwas das alle implementieren können. Ohne freie Tools wie Apache hätte es das Web in seiner jetzigen Form nie geben können, so etwas müssen wir auch für den Bereich Video sicherstellen.

derStandard.at: Für die Provider bedeutet die Nutzung von Open Video zunächst aber mal doppelten Speicherplatzbedarf und doppeltes Kodieren, ist das nicht ein Hindernis?

Blizzard: Das dachte ich zunächst auch, aber es ist in all meinen Diskussionen mit den Providern kein einziges mal angeschnitten worden. Das mag daran liegen, dass sie schon jetzt mehrere Versionen erstellen müssen, weil Flash so inkonsistent ist. Es gibt VP6, H.264, H.263 als Codecs- und verschiedene Flash-Versionen unterstützen ein unterschiedlichen Teil davon. Nehmen wir Youtube her: Deren Bedenken drehten sich ausschließlich um die Bandbreite beim Abspielen, Storage und CPU-Verbrauch wurden nie erwähnt.

derStandard.at: Glauben sie, dass diese Bedenken in absehbarer Zeit ausgeräumt werden können?

Blizzard: Für die meisten Videos ist Theora schon jetzt gut, man bekommt bei gleicher Bandbreite die selbe Qualität. In manchen Einzelfällen mag das anders sein, aber selbst hier reden wir nicht von einem Vielfachen an Bandbreite, sondern von ein paar Prozent zusätzlich. Außerdem werden wir ja auch weitere Verbesserungen an Theora vornehmen, also mal sehen, wie sich das im nächsten Jahr entwickelt.

derStandard.at: Entgegen den ursprünglichen Plänen wird HTML5 keine Empfehlung für ein Video-Codec enthalten. Wird das einen negativen Einfluss auf den Erfolg von Open Video haben?

Blizzard: Das ist eine Entscheidung, die ich auch persönlich als sehr enttäuschend empfunden habe. Aber ich denke auf Sicht wird das ohnehin durch den Markt entschieden. Jedenfalls hat es weder unsere Entscheidung noch jene von Google - das Theora in Chrome unterstützen wird - beeinflusst.

derStandard.at: Zuvor haben sie die Bereitstellung von besseren Tools erwähnt, geht es dabei um Programme zur Videoerstellung oder auch um anders?

Blizzard: Nun Tools zum Kodieren sind sicherlich wichtige um hochqualitative Videos zu erstellen, aber es geht nicht nur darum. Es gibt mittlerweile einige Anwendungen, um Videos auseinanderzunehmen und zu analysieren. Als Beispiel verweise ich dabei gerne auf eine Seite namens pad.ma. Das ist ein Projekt wo ungeschnittenes Videomaterial veröffentlicht wird, allerdings haben sie das so gemacht, dass man damit einige nette Dinge machen kann. Wenn man also zum Beispiel den Mauszeiger über ein Preview-Bild bewegt, wird automatisch durch das Video gescrollt, man kann Stichwörter hinzufügen, oder eigene Abschriften während dem Abspielen anlegen.

Ein anderes Beispiel ist Wikimedia, wo man versucht einen Video-Editor direkt im Web zu erstellen, damit die Benutzer Clips zusammenschneiden und auf Wikipedia stellen können. Das funktioniert schon ganz gut, und auch Übergänge werden direkt im Browser durchgeführt. Es ist genau diese Demokratisierung der Tools, die wir - gar nicht so sehr für die Webseiten-Administratoren sondern vor allem für die User - sehen wollen. Und das ist etwas, dass wir bisher mit Flash oder Silverlight nur wenig zu sehen bekommen haben, wohl auch weil es nur schwer richtig hinzubekommen ist. Aber das Web ist ein sehr kreatives Umfeld, insofern bin ich mir sicher, dass die Leute auch die richtigen Lösungen finden werden.

derStandard.at: Der Internet Explorer 8 hat einige neue Features wie etwa die Webslices, will man das beim Firefox übernehmen?

Blizzard: So weit ich weiß, gibt es daran kein sonderliches Interesse. Wir können neue Features aber natürlich immer über unser Erweiterungssystem ausprobieren, und bei den Webslices ist ja genau das passiert - jemand aus der Community hat in gerade mal drei Tagen ein Add-On dafür erstellt. Zur Zeit scheint es aber kein sonderliches Interesse in der Community zu geben, das auch fix in den Browser aufzunehmen.

Bei uns gibt es diesen Satz, der sagt: "Innovation wandert von Browser zu Browser", insofern findet man bei uns Sachen, die Safari zuerst gemacht hat, beim Internet Explorer Sachen, die wir vorher hatten, und so weiter. Wir übernehmen also immer dort Features, wo es wirklich Sinn macht.

Fairerweise muss ich auch herausstreichen, dass der IE8 einige nette neue Features für Entwickler hat, sie haben einen ziemlich guten Job in Bezug auf den CSS 2.1-Support gemacht - und das muss man anerkennen.

derStandard.at: Aber nichts wirklich herausragendes?

Blizzard: Dazu vielleicht ein kleine Geschichte: Ich bin vor kurzem gefragt worden: "Warum hassen Web-Entwickler den Internet Explorer 6 dermaßen?" Weil genau das tun sie, für viele ist er das Verderben an sich. Also habe ich da mal etwas nach recherchiert, und dabei zeigt sich, dass die Anzahl der Dinge, die der IE - und dabei besonders der IE6 - nicht kann, die alle anderen implementieren, wahrlich atemberaubend ist. Und Web-Entwickler müssen sich nun mal am schlechtesten - weit verbreiteten - Browser orientieren. Was eben für viel heißt, dass sie den IE6 unterstützen müssen, bis dieser endlich von der Bildfläche verschwindet.

derStandard.at: Während der Firefox in der Vergangenheit meist bei einer neuen Release an der Spitze der Entwicklung stand, macht es bei Firefox 3.5 den Anschein, dass man mittlerweile von Safari und Google Chrome überholt wurde? Muss man die Technologieführerschaft abgeben?

Blizzard: Es gibt sicher einige Dinge, die sie besser gemacht haben, aber Chrome und Safari haben auch kein Problem damit eine Implementierung zu liefern, bevor es überhaupt einen akzeptierten Standard gibt. Wir haben da einfach eine wesentlich größere Verantwortung, weil wir erheblich mehr Benutzer haben. Also müssen wir bei Änderungen auch vorsichtiger sein. Ich würde aber auch sagen, dass wir mit Firefox 3.5 zahlreiche dieser Lücken geschlossen haben, und dass wir an vielen Stellen die bessere Implementierung haben. Zum Beispiel bei den Font-Faces aber auch den Worker-Threads - und unsere Entwicklungs-Tools waren ohnehin schon immer voraus.

Aus dem Blickpunkt das Web weiter zu bringen, ist es fein, dass es Webkit gibt, wo man sich bemüht Standards zu implementieren. Das treibt auch uns weiter voran, was für alle gut ist, aber ich würde nicht sagen, dass sie überall an der Spitze liegen. So kann man etwa beim Firefox eine ganze Menge Dinge mit SVG machen, die bei keinem anderen Browser möglich sind. Es gibt sicher ein Wahrnehmungsproblem in dieser Hinsicht, aber in der Realität ist das alles ziemlich ausgeglichen, es gibt viele Dinge, die wir haben, die sie noch nicht können und umgekehrt einiges was sie haben, was es bei uns noch nicht gibt.

derStandard.at: Safari und Chrome haben auch einen erheblich kürzeren Release-Zyklus, mag das in der Wahrnehmung auch eine Rolle spielen?

Blizzard: Ja. Firefox 3 war einfach wesentlich länger in Entwicklung, als wir es eigentlich wollten. Die aktuelle Release haben wir aber in 12 Monaten hinbekommen, und ich denke das ist ein gutes Tempo, ein schnellerer Zyklus macht es den Entwicklern schwierig das alles aufzunehmen. Auch sollte man nicht vergessen, dass das hohe Release-Tempo von Chrome mehr damit zu tun hat, dass der Browser noch nicht sonderlich viel kann, hier wird noch vieles an Basis-Funktionalität nachgereicht, das es bei uns schon seit Jahren gibt.

Aber ich denke nicht, dass wir noch einmal ein ganzes Jahr ohne Release verbringen werden.

derStandard.at: Bei Mozilla arbeitet man derzeit daran den Firefox auf einen Multi-Prozess-Ansatz wie Google Chrome umzustellen, hat man keine Angst davor, dass dies eine äußerst nachteilige Auswirkung auf den Speicherverbrauch haben könnte?

Blizzard: Doch, das ist sicherlich ein Problem, da gibt es kein Herumreden. Allerdings waren wir schon bisher immer besser beim Speicherverbrauch als die Konkurrenz, wir benötigen heute am wenigsten Speicher von allen aktuellen Browsern, insofern sollten wir selbst bei einem Multi-Prozess-Ansatz noch einen Vorteil haben. Auch scheinen die meisten User heutzutage vor allem am Stromverbrauch interessiert zu sein, hier hat das RAM nur einen geringen Einfluss. Und die meisten Leute haben heute auch schon recht viel Speicher, mein Laptop etwa wurde schon mit 4 GByte ausgeliefert, da nutze ich nicht einmal mehr einen Swap-Speicher.

derStandard.at: Wenn heutzutage über Browser-Performance gesprochen wird, ist meist die Javascript-Geschwindigkeit gemeint, gibt es beim Rendering von normalen Webseiten überhaupt noch Verbesserungsmöglichkeiten?

Blizzard: Eine Unzahl. Derzeit sammeln wir gerade Bugs unter dem Begriff "Snappiness", es geht hier also darum wie schnell sich der Browser "anfühlt". Üblicherweise denken die Leute bei Performance an den Sunspider Javascript Benchmark, aber das ist nicht unser Zugang. Der wichtigste Aspekt von Performance ist interaktive Performance, wie schnell die Dinge auf einzelne Anlässe reagieren.

derStandard.at: Wie misst man so etwas?

Blizzard: Das ist zugegeben schwierig. Wir haben darüber erst unlängst mit anderen Browserherstellern gesprochen und haben so entdeckt, dass Microsoft und Mozilla hier zufällig den gleichen Ansatz benutzen: Wir zeichnen das Laden einer Webseite auf Video auf und schauen uns dann anhand der Einzelbilder an, wann die Seite fertig geladen ist.

derStandard.at: Ein Bereich, in dem Firefox immer wieder kritisiert wird, ist die Startgeschwindigkeit...

Blizzard: Ja - daran arbeiten wir auch. Zumindest muss man herausstreichen, dass wir über die Jahre in dieser Hinsicht zumindest nicht schlechter geworden sind. Von Release zu Release gab es Verbesserungen, wenn auch meist nur sehr kleine. Chrome nutzt hier noch einige Tricks, die wir bislang nicht verwenden, das werden wir uns sicher für die nächste Release ansehen. Das ist Teil dieser "Snappiness"-Verbesserungen.

derStandard.at: Ein Blick in die Zukunft: Glaube Sie, dass der Browser künftig die universelle Plattform werden wird?

Blizzard: In vielerlei Hinsicht ist er das doch schon. Natürlich verwenden die Leute weiterhin Desktop-Anwendung, vor allem im Firmenumfeld, gerade bei sehr spezialisierten Anwendungen macht das auch Sinn. Aber es gibt schon so vieles, das sich nach und nach ins Web verlagert. So nutze ich etwa auf meinem Laptop eine Web-Anwendung, um Musik abzuspielen, Mozilla Prism sorgt dafür, dass sich das Ganze in den Desktop integriert, also ist hier kaum mehr ein Unterschied bemerkbar. Mit Firefox 3.5 haben wir jetzt außerdem auch Offline-Support, die Web-Anwendungen können also lokal laufen und werden automatisch synchronisiert, wenn wieder Netz vorhanden ist. All das ist bereits auf dem Weg - und in vielen Punkten auch schon da.

(Andreas Proschofsky [@suka_hiroaki auf Twitter], derStandard.at, 02.08.2009)