Müllers "Straßenszene in Kairo" soll bis zu 800.000 Dollar einspielen.

Fotos: Sotheby's

Orient-Darstellungen haben in der Malerei weniger dokumentarischen Wert, als sie Projektionsfläche für Wünsche, Sehnsüchte und Vorstellungen sind. Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Morgenland beginnt - angeregt von der Erkundung neuer Handelsrouten - Ende des 15. Jahrhunderts. Generationen von Malern bedienten das wachsende Interesse an der orientalischen Welt, im 19. Jahrhundert entwickelte sich daraus mit dem Orientalismus schließlich ein eigenes Genre.

Die seit dem 18. Jahrhunderts zunehmend publizierten Reiseberichte, einschlägige Literatur, wie die Veröffentlichung der französischen Übersetzung von Tausendundeine Nacht 1704 oder auch politische Ereignisse wie Napoleons Ägyptenfeldzug lieferten Motive. Nicht wenige Künstler bevorzugten einen Lokalaugenschein und unternahmen Studienreisen. So auch Leopold Carl Müller, 1834 in Dresden geboren und 1892 in Wien verstorben. Der Begründer der österreichischen Schule der Orientmalerei unterhielt zeitweise ein eigenes Atelier in Kairo.

Auf dem Kunstmarkt genießt er hohes Ansehen: Im Oktober 2008 wechselte sein Gemälde Almées Bewunderer bei Sotheby's in New York für den vorläufigen Künstlerrekord von 1,4 Millionen Dollar den Besitzer. Mehrheitlich kursieren den Alltag schildernde Straßen- und Marktszenen des auch "Orient-Müller" Bezeichneten auf den Markt. "Artprice" listet seit 1989 insgesamt 157 Einträge. Österreich selbst zeichnet nur für 30 Prozent des weltweit eingespielten Umsatzes ein, am stärksten sind seine Arbeiten in Großbritannien und vor allem den USA gefragt, wie auch die zehn höchsten Auktionsergebnisse belegen.

Am 22. Oktober, so verlautbarte Sotheby's Anfang dieser Woche, gelangt in New York mit einer Straßenszene ein neuer Rekordkandidat zur Auktion: Müller malte dieses Bild 1880 und verkaufte es am 20. Juni des gleichen Jahres an den amerikanischen Eisenbahn-Tycoon William Henry Vanderbilt.

Ab 1903 konnte man das 92 mal 66 cm große orientalische Leinwandepos als Leihgabe im Metropolitan Museum of Art bewundern, bis es ein anderer Vanderbilt-Spross 1945 einem privaten Sammler verkaufte. Bei dessen Nachfahren wurden Sotheby's Experten nun fündig und beziffern die Erwartungen mit 600.000 bis 800.000 Dollar. (Olga Kronsteiner, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 01./02.08.2009)