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"The Sound of Music" füllt immer noch die Theater - und Reisebusse.

Foto: AP Photo/Stephan Trierenberg

Noch immer zählt die 1966 mit fünf Oscars ausgezeichnete Verfilmung der heroischen Lebens-, Leidens- und Liebesgeschichten der Trapps zu den erfolgreichsten Musical-Streifen weltweit. Davon kann die japanisch-amerikanische Sound of Music-Neigungsgruppe im Reisebus wahrlich ein Lied singen, während die Festung Hohensalzburg einmal von vorn, einmal von hinten, immer jedenfalls aus der Ferne zu sehen ist. Salzburgs Altstadt, die sich auf einem halben Quadratkilometer zwischen das linke Salzach-Ufer und die Falten des wuchtigen Mönchsbergfelsens kuschelt, ist bekanntlich für eine Bustour völlig ungeeignet.

Vier Stunden dauert die englischsprachige Trapp-Expedition, Geschichte und Geschichterln im Vorbeifahren, hier die Original-Trapp-Villa, da die über Stadt und Umland versprengten Filmversionen. Unversehens gerinnt Salzburg zur zuckersüßen Musical- Kulisse, zu einer Art überdimensionierten Universal Studios, vermeintlich eigens für den internationalen Kassenschlager Sound of Music aufgebaut. Der trug ein ziemlich schöngefärbtes Ö-Bild in die weite Welt: jenes von den widerständischen, aufrichtigen und geradlinigen Österreichern, die gegen den Anschluss antanzten und Hitlers Nazibonzen mit dem Absingen der österreichischen Bundeshymne namens Edelweiß trotzten, bis sie ins Exil gingen.

Schroff verstellt der Untersberg die Sicht in die Wirklichkeit. Der Fluchtberg, über den die Trapps am Filmende schließlich in die heile neue Welt klettern, ist, wie wir zu hören kriegen, ein beliebter "lunch breaking mountain": Im Winter gondeln also alle Salzburger mit der Seilbahn zu Mittag auf den Untersberg und wedeln auf den Skiern zurück ins Büro. Über Friedrich Barbarossa, der gemeinsam mit seinem Berufskollegen Karl dem Großen im Inneren des Untersbergs auf den Jüngsten Tag wartet, verrät die Sound of Music-Spezialistin allerdings nichts. Doch was ist diese Sage schon gegen die Realität des Jodel-Epos.

Am Fuße des Untersbergs peilt der Bus das Wasserschloss in Anif alias die Vorderfront der Trapp-Film-Villa an. Reiseleiterauftragsgemäß drücken wir die Nasen an den Busfenstern platt, um durch dichtes Buschwerk und schwere Eisengitter einen Blick auf das verwunschen schöne Schloss zu werfen, in dem 1918 der letzte Bayernkönig Ludwig II. abdankte.

Schon werden wir wieder aus dem Bus gescheucht: Schloss Leopoldskron, 1736 erbaut, Geburtshaus der Salzburger Festspiele, in dem Max Reinhardt 1920 Hugo von Hofmannsthals Jedermann uraufführte. Alle Innenaufnahmen von Sound of Music wurden in dem seit 1947 im Privatbesitz einer amerikanischen Bildungsinstitution befindlichen Schloss gedreht. Und nach genauer Begutachtung durch die Amerikaner ("Wasn't it? - O yes, indeed - It was!") entpuppt sich der Ort auch als Film-Hinterausgang der Trapp-Villa.

Die Edelweiß-Offenbarung

"Ich muss Sie enttäuschen", auf der Fahrt zur nächsten Attraktion lässt die Reiseleiterin die Bombe platzen: "Edelweiß ist nicht Österreichs Nationalhymne!" Nein so was, Raunen und Staunen, wo man doch erst, seit es Sound of Music gibt, Austria nicht mehr mit Australia verwechselt. Die Tröstung ist schon in Sicht. Wieder ein Schloss, was sonst: Hellbrunn, Villa Suburbana des Fürsterzbischofs Markus Sittikus, der zwischen 1612 und 1619 über Salzburg herrschte. Aber solch historische Kinkerlitzchen erfahren wir nicht; ebenso wenig, dass der Fürsterzbischof - selbst keineswegs ein Kind von Traurigkeit - Mandate erließ gegen die lockeren Sitten der Geistlichkeit und gegen das "Prassen und Pankettieren" bei Hochzeiten. Dem Volk baute er den Dom, sich selbst das Schloss, das er mit furchterregenden Kunstwerken schmückte.

Wir stehen nun ergriffen vor jenem Glaspavillon, in dem wer wen das erste Mal geküsst hat? Der Franz die Liesl! "Go ahead, dance and kiss!", fordert unser Guide die Runde auf - und auf Wiedersehen in zwei Minuten beim Bus. Schließlich muss noch allerhand Trapp-Atmosphäre geknipst und gefilmt werden, Schloss Fuschl im Vorbeiflitzen, und ein paar Zithertakte später liegt der Wolfgangsee schon wieder hinter und die Kirche in Mondsee am Mondsee noch vor uns, wo Julie Andrews und Christopher Plummer einander für den Film das Jawort gaben.

Letztes Küssen, Kichern, Knipsen. Ein Hauch Politik, Abenteuerromantik, Liebesgeschichte, Heldenmut, Flucht, alles da, was das Kommerzherz begehrt. Applaus. Und die Trapp-Adepten aus Japan und den USA tragen auf der Rückfahrt ein paar leise Takte Sound of Music auf den Lippen. Edelweiß. Die österreichische Hymne des Widerstands, sozusagen. (Andrea Schurian/DER STANDARD/Printausgabe/1./2.8.209)