Eine Werkstatt in der Jugendhaftanstalt Gerasdorf - in der Josefstadt muss die Arbeit ruhen.

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Wien - Vor Gericht tritt Henry M. als adretter Jugendlicher auf - doch draußen auf den Straßen von Simmering war er zu einem schweren Burschen geworden. Die Lehrstelle bei einer Sportartikel-Kette hatte er hingeschmissen, "weil's immer dasselbe war". Eine Vorstrafe hatte er schon wegen zweier Handy-Raube. "Wegen Freunden und cool sein", sagt er. Laut eigenen Angaben hatte er vor eineinhalb Jahren mit Ecstasy und Speed begonnen - und später gelegentlich Heroin gezogen. Warum er dann im April dieses Jahres auch noch einen schweren Raub verübte und mit einer Gaspistole bewaffnet eine Tankstelle überfiel, kann er nicht erklären. Da waren keine Freunde mehr dabei, vor denen er hätte cool sein müssen.

Henry M.s Verteidigerin Alexandra Cervinka bittet um eine Strafe, "die ihm noch irgendeine Chance gibt". Das psychologische Gutachten zeichnet ein an sich hoffnungsvolles Bild - empfiehlt aber ausdrücklich eine Beschäftigungstherapie in der Haft. Zu diesem Punkt sagt Richterin Beate Matschnig allerdings: "Dazu ist anzumerken, dass wegen Einsparungen des Justizministeriums in der Justizanstalt Josefstadt derzeit keine einzige Werkstatt in Betrieb ist."

"Natürlich gibt es Werkstätten", widerspricht Alfred Steinacher, Sprecher der Vollzugsdirektion des Justizministeriums, im Standard-Gespräch. Allerdings komme es in der Urlaubszeit "tageweise zu Schließungen". Probleme gebe es schon - beispielsweise "färbt die Wirtschaftslage draußen ein wenig ab", weil die Strafvollzugsanstalten weniger Aufträge von Privatfirmen bekämen. Aber es gelte als oberster Grundsatz: "Wenn wir die Insassen nicht beschäftigen - dann beschäftigen sie uns." Dass vor allem aber in der Justizanstalt Josefstadt die Situation im Sommer "prekär" sei, gibt auch Steinacher zu.

Für Richterin Matschnig gilt die Beschreibung "prekär" allerdings nicht nur für den Sommer: "Es gibt gar nichts", betont sie auf nochmalige Nachfrage des Standard. "Die Ergotherapie und die Töpferei sind seit ewig geschlossen. Genauso der Unternehmensbetrieb für die Mädchen", schildert sie. Alle Beteiligten seien "verzweifelt".

Nach außen sehe es zwar so aus, als ob es die Haftbetriebe gebe, aber tatsächlich seien sie geschlossen, "weil die Beamten eingezogen wurden". Denn die eigentliche Ursache sei der akute Personalmangel: "Allein bei den Vorführungen werden täglich 25 Beamte mehr gebraucht, als es gibt." Diejenigen, die noch da sind, seien sehr bemüht. "Da gibt es wahnsinnig engagierte Leute. Eine Beamtin geht sogar in ihrer Freizeit einkaufen - damit sie dann mit den Mädchen wenigstens kochen kann." Ein anderer Beamter setze sich regelmäßig zu einem Jugendlichen in die Zelle, weil der immer wieder durchdrehe - aber keine adäquate Behandlung bekommen kann.

Die Verantwortlichen würden sich bereits regelmäßig zusammensetzen und beraten, was überhaupt noch möglich sei, berichtet Matschnig von ihren Besuchen in der Justizanstalt Josefstadt. Aber inzwischen wisse man nicht mehr weiter: "Man kann die fehlenden Beamten ja nicht einfach herzaubern." Im Büro von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner heißt es: "Dass die Personalsituation nicht rosig ist, wissen wir. Aber dass es keine Beschäftigungsmöglichkeiten gibt, können wir nicht bestätigen. Das stimmt nicht."

Henry M. wurde am Mittwoch vom Schöffengericht - nicht rechtskräftig - zu einem Jahr Haft verurteilt. Zusätzlich zu den bisher bedingten zehn Monaten aus der Vorstrafe. Sollte er die Haftstrafe in die Justizanstalt Josefstadt absitzen müssen, wird sich erst zeigen, ob er mit einer Beschäftigungstherapie die Chance auf einen späteren Wiedereinstieg bekommt. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD Printausgabe, 06.08.2009)