Wien - Die Wochenzeitung "Falter" ortet einen "merkwürdigen Umgang" der Justiz mit politisch sensiblen Fällen und will dies in den kommenden Wochen durch Darstellung einiger konkreter Verfahren auf Basis "streng vertraulicher Dokumente" vor allem aus dem Justizministerium belegen, wird in der am Mittwoch erscheinenden Ausgabe angekündigt. Die Akten würden zeigen, wie "politisch heikle Fälle entsorgt und Mächtige verschont werden", heißt es. Das Justizministerium kündigte indes umgehend eine Anzeige gegen unbekannt wegen Amtsmissbrauch und Missbrauch des Amtsgeheimnisses an. FPÖ und Grüne machten sich am Dienstag dafür stark, die Vorwürfe im Rahmen des Untersuchungsausschusses zu prüfen.

Das Material umfasse Akten aus der Sektion Straf- und Gnadensachen (Sektion IV) des Justizministeriums, zudem Vorhabensberichte der Staatsanwaltschaften Wien, Klagenfurt und Graz sowie Akten des Büros für Interne Angelegenheiten (BIA).

"Machen Sie das öffentlich"

Immer wieder würde interne Kritik im Justizministerium von Behinderung und Verschleppung sprechen, von Sonderbehandlungen für prominente Beschuldigte und von "Kabinettsjustiz", so der Falter. Der anonyme Informant, der die "zwei Papiersäcke" mit Material übermittel habe, habe mit seinem "Gewissen" argumentiert und ersucht: "Machen Sie das öffentlich."

Die Akten betreffen Verfahren gegen Politiker, Manager, Landtagsabgeordnete, Amtsärzte, Richter, Polizisten und Staatsanwälte. Es sind prominente Namen darunter: Karl-Heinz Grasser und Jörg Haider etwa, Stefan Petzner und Gerhard Dörfler. Es geht um den mutmaßlichen Datenverrat im Fall Arigona Zogaj durch das Kabinett von Ex-ÖVP-Innenminister Günther Platter, aber auch um Polizisten, die sich mit „Trinkgeldern" das Gehalt aufbesserten und dabei Bürger schamlos schikanierten, heißt es im Falter. "57 Aktenordner hat das Justizministerium alleine in diesem Fall vom BIA erhalten, sechs Jahre hatte diese Antikorruptionstruppe intensiv ermittelt - und dennoch wurde keine Anklage erhoben. Es geht auch um die Verschwendung von Steuergeldern für Parteiwerbung und um mutmaßlichen Geheimnisverrat durch Beamte des Finanzministeriums in der Amtszeit von Karl-Heinz Grasser."

Den Informanten hat nun das Ministerium und wohl auch bald die Staatsanwaltschaft im Visier. Das Justizministerium kündigte am Dienstag per Aussendung eine Sachverhaltsdarstellung an. Die Weitergabe von geheimen Akten lege "den Verdacht des Missbrauchs der Amtsgewalt bzw. der Verletzung des Amtsgeheimnisses nahe". In der Sache wurde betont, "dass aus bloßen Teilen von Akten nicht auf die Erledigung einer Strafsache und deren Begründung geschlossen werden kann", so das Ministerium. "Teile geben nur ein fragmentarisches und daher oft verfälschtes Bild wieder."

Kärntner Ortstafeln

Einer der Fälle ist der Kärntner Ortstafelstreit. So heißt es, dass das Verfahren gegen den Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler und drei Beamte ohne Anklage beendet wird. Angeblich erließen sie "verfassungswidrige Verordnungen und versetzten höchstpersönlich Ortsschilder, um die Slowenen zu verhöhnen. Verfassungsrichter bezeichnete Dörfler als 'Kasperln'. Auf dutzenden Seiten führt die Staatsanwaltschaft Klagenfurt aus, inwiefern die Kärntner Politiker 'objektiv rechtswidrig' handeln. Alle Verwaltungsbehörden, so schreibt der zuständige Staatsanwalt, seien nämlich 'verpflichtet (...) unverzüglich den der Rechtsanschauung des VfGH entsprechenden Rechtszustand herzustellen'. Der Staat und die slowenische Volksgruppe hätten ein „konkretes Recht auf Einhaltung aller Gesetze". Werde einem „Vorgesetzten die Weisung erteilt, eine verfassungswidrige Verordnung zu erlassen", so liege 'zweifellos' Amtsmissbrauch vor," heißt es im Falter.

Zur Anklage kam es nicht: "Das Justizministerium fand den Ausweg: die 'subjektive Tatseite' der BZÖ-Machthaber. Ein Amtsmissbrauch, so wissen Strafrechtler, muss nämlich nicht nur objektiv gesetzt werden, der Täter muss auch wissen, dass er kriminell handelt. Genau das, so die Staatsanwaltschaft Klagenfurt, habe die Law-and-Order-Truppe vom Wörthersee aber nicht gewusst."

Für die Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung. (APA, red)