Zur Zeit der Monarchie war die Sprache der Sieben-bürger Sachsen noch eindeutiges ethnisches Merkmal. Heute lernen viele junge Rumänen Deutsch und wirken an der Brauchtumspflege mit.

Foto: histopics/ picturedesk.com

Anhand deutscher und ungarischer Minderheiten untersuchen sie die Rolle des "Ethnomanagement".

* * *

Wann und unter welchen Bedingungen fühlt sich ein Mensch als Österreicher, Deutscher oder Ungar? Ist es die Sprache, die Kultur, die Geschichte oder schlicht seine Staatszugehörigkeit, die ihn dazu macht? Und wie erhält sich so etwas wie ethnische Identität bei nationalen Minderheiten?

Glatte Antworten darauf sollte man sich besser nicht erwarten, wie ein vom Wissenschaftsfonds finanziertes Projekt am Grazer Institut für Geschichte nahelegt. Für ihre Annäherung an die aktuelle Identitätsproblematik deutscher und ungarischer Minderheiten im südöstlichen Mitteleuropa haben die Forscher einen ethnologisch-kulturanthropologischen Zugang gewählt: "Geschichte interessiert uns hier vor allem in ihren Bezügen zur jeweiligen Erinnerungskultur", erklärt der Kulturanthropologe Klaus-Jürgen Hermanik. Ein zentraler Begriff dabei ist das sogenannte Ethnomanagement, also die Konstruktion von Identität durch die Minderheit selbst oder durch die Mehrheitsgesellschaft und andere "äußere" Institutionen.

Was die deutsche Minderheit in Ungarn betrifft, sind die bisherigen Ergebnisse relativ ernüchternd: "Wie viele Ungarndeutsche es heute noch gibt, kann man nicht wirklich feststellen, da die Magyarisierung schon sehr weit fortgeschritten ist", schildert Hermanik. "Oft gibt es auch kein eindeutiges Bekenntnis mehr zum Deutschtum, und selbst die deutsche Sprache beherrschen immer weniger." Dennoch sind die Ungarndeutschen eine von 13 anerkannten Minderheiten in Ungarn. Punkto Sprache ist die Situation der Siebenbürger Sachsen in Rumänien ähnlich: "Sie ist längst kein eindeutiges ethnisches Merkmal mehr", berichtet Projektmitarbeiter Bernhard Heigl. "Mittlerweile lernen viele Rumänen Deutsch und gehen in deutschsprachige Gymnasien, die nach wie vor einen guten Ruf haben."

Und was machen die Vereine? "Klassische Minderheitenpolitik: Rechtsvertretung und vor allem Brauchtumspflege", sagt Heigl. An deutschen Sing- und Tanzvereinen gäbe es ein bemerkenswertes Interesse - und zwar auch bei der rumänischen Jugend, die mittlerweile intensiv bei der sächsischen Brauchtumspflege mitwirkt: "Mit einer so kleinen Minderheit von geschätzten 30.000 bis 60.000 Deutschen in ganz Rumänien könnten dörfliche Tanzgruppen ohne Verstärkung aus der Mehrheitsbevölkerung oft gar nicht bestehen".

Politisierte Erinnerungskultur

Anders als in Ungarn und Rumänien gibt es für die deutsche Minderheit in Slowenien nicht einmal Schulen oder eigene Medien. "Da in Slowenien für die Deutschsprachigen keine Minderheitenrechte gelten, gibt es vom Staat auch kein Geld und damit nur eingeschränkte kulturelle Aktivitäten", weiß Klaus-Jürgen Hermanik. "Allerdings wird von einzelnen Vereinen Ethnomanagement betrieben - etwa durch das Angebot von Sprachkursen und Kultureinrichtungen." Die Versuche, Slowenien zu einer Anerkennung der stetig schrumpfenden deutschen Minderheit zu bewegen, blieben bislang jedoch erfolglos.

Völlig anders stellt sich dagegen das Ehnomanagement der ungarischen Minderheiten in Südostmitteleuropa dar. "Hier spielt die politische Dimension eine viel größere Rolle als bei den Ungarndeutschen oder den Siebenbürger Sachsen", erklärt Eduard Staudinger. "Demnach ist die Erinnerungskultur auch stärker politisch besetzt - sowohl in Ungarn selbst als auch bei den Auslandsungarn."

So wurden von den Forschern drei wichtige ungarische Feiertage festgemacht, die im Ethnomanagement eine zentrale Rolle spielen: der St.-Stefans-Tag am 20. August, an dem der Staatsgründung gedacht wird, der 23. Oktober, an dem sich die Ungarn an ihren Aufstand im Jahr 1956 erinnern und das Gedenken an die 1848er-Revolution gegen die Habsburger am 15. März. Nationale Emotionen werden gezielt auch durch das Andenken an das wohl größte ungarische Trauma geschürt: den Friedensvertrag von Trianon, durch den Ungarn 1920 zwei Drittel seines Territoriums verlor.

Derartig symbolträchtige Festtage fehlen im Ethnomanagement der zahlenmäßig viel kleineren deutschen Minderheiten. Das Bekenntnis zu einer gemeinsamen Geschichte und Herkunft ist nichtsdestotrotz ähnlich ausgeprägt. (Doris Griesser/DER STANDARD, Printausgabe, 12.08.2009)