Es gilt als eherne Regel der Politik, dass kleine, gut organisierte Lobbys mehr Einfluss auf die Gesetzgebung haben als die große Masse der Bürger, die sich viel weniger um ein Einzelthema kümmert.

Bei der Reform des US-Gesundheitswesens, das Präsident Barack Obama gegen den Widerstand der Ärzte und Versicherungskonzerne anstrebt, kommen zwei weitere Erschwernisse dazu: Die Mehrheit der Amerikaner ist mit ihrer privaten Krankenversicherung zufrieden und fühlt die tiefe strukturelle Systemkrise nicht. Und eine radikale Minderheit nutzt das emotionelle Thema Gesundheit dazu, Obama mit den ungeheuerlichsten Anschuldigungen - er sei Kommunist und Nazi und plane die Euthanasie aller Alten - zu attackieren oder einfach demokratische Politiker, die sich den Bürgern öffentlich stellen, niederzubrüllen.

Obama hat die Fähigkeit dieser Gruppen, die mediale Debatte zu beherrschen, unterschätzt. Er dachte, kluge Argumente allein könnten die Wähler von einer allgemeinen Krankenversicherung und einer besseren Kostenkontrolle überzeugen. Bei seinem Auftritt in einem Bürgerforum in New Hampshire ging der Präsident zwar gegen Angstmacher und Hetzer in die Offensive, schaffte es aber wieder nicht, seine Pläne im positiven Sinn zu emotionalisieren.

Wenn Obama nicht wie einst Bill und Hillary Clinton an der Gesundheitsreform scheitern will, dann muss er rasch jene Zauberformel von taktischem Geschick, Rhetorik und Charisma wiederentdecken, die ihn einst ins Weiße Haus getragen hat. Die Zeit dafür ist bereits knapp. (Kommentar von Eric Frey/ DER STANDARD Printausgabe, 13.8.2009)