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Die Vorgängerin, die Nachfolgerin und ein Therapiepferd: Die Stadträtinnen Renate Brauner (li.) und Sonja Wehsely (re.) gelten als Häupls Politikerinnen zum Pferdestehlen.

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Wien - Es gibt Leute in der Wiener SPÖ, die glauben, Sonja Wehsely komme zum Krankenhaus Nord wie die Jungfrau zum Kind. Als "irgendwie ungerecht" empfindet ein roter Gemeinderat, dass Wehsely nun gegen drohende Kostenüberschreitungen zu argumentieren und ein nicht restlos geglücktes Vergabeverfahren zu verteidigen hat. Denn immerhin stammt der Plan, nördlich der Donau ein Spital zu bauen, aus dem Jahr 2005. Damals war die heute 39-Jährige zwar schon Mitglied der Stadtregierung, aber noch weit weg vom Gesundheitsressort. Heute jedoch ist es Wehselys Job, das Megaprojekt zu verteidigen - selbst um den Preis, dass sie wohl in diesem Sommer nicht mehr aus der Schusslinie der Opposition und dem Fokus der Medien kommt.

Da trifft es sich gut, dass Wehsely vor Begeisterung vibriert: "Ich stehe 150-prozentig hinter dem Projekt", sagt Wiens Gesundheitsstadträtin. Die momentane Aufregung halte sie für eine "künstliche und konstruierte". Nicht ohne brav hinzuzufügen: "Aber das zeigt auch, dass wir Gott sei Dank eine funktionierende Demokratie haben." Sie finde es "vollkommen legitim, zu einem Nicht-Thema mitten im Sommer einen Sonder-Gesundheitsausschuss zu machen", sagt sie völlig ironiefrei.

So ist Wehsely: Fröhlich wie Renate Brauner, loyal wie Grete Laska, unbeugsam wie alle Häupl-Gefolgsleute in der Überzeugung, das rote sei das allein selig machende Wien. Nicht nur wegen dieser Eigenschaften hat es die 39-jährige Berufspolitikerin weit gebracht. Sonja Wehsely ist eine burschikose, energische Person mit Kurzhaarfrisur und blitzenden Augen, vorzugsweise in Hosenanzüge gekleidet, so normal wie unprätentiös. Eine, die sich nicht zu schade ist, mit der U-Bahn zu fahren und ihren Kaffee selbst zu kochen. Ihre wichtigsten Mentorinnen, Finanzstadträtin Brauner und Siemens-Generaldirektorin Brigitte Ederer, können wohl stolz sein, wenn sogar berufskritische Oppositionspolitikerinnen wie Sigrid Pilz (Grüne) und Ingrid Korosec (ÖVP) sagen, Wehsely sei "erfrischend uneitel" und "persönlich sehr angenehm".

Die Nachteile von so viel properer Gesinnungsfestigkeit: Die Opposition hält sie andererseits für einen typischen "SPÖ-Apparatschik" (Pilz). Aber auch aus roten Kreisen ist neuerdings zu hören, "die Sonja" habe sich "verändert", sei "ernster" und "angespannter" als früher. Kein Wunder: Schließlich ist die einst quirlige Zukunftshoffnung der Wiener SPÖ nun für die Hälfte der Mitarbeiter (rund 31.000) und ein Viertel des Budgets zuständig - das könnte den Spaßfaktor ein wenig dämpfen.

Heile rote Welt

Das SPÖ-Parteibuch wurde Wehsely praktisch in die Wiege gelegt. Sie kommt aus einer lupenrein roten Wiener Familie. Der Vater, ehemals Manager bei Böhler, später Berater bei Siemens, ist sogar jetzt im Ruhestand im Vorstand des Arbeiter-Samariter-Bundes. Beide Töchter, Sonja und die um zwei Jahre jüngere Tanja, begannen schon in jungen Jahren bei der Sozialistischen Jugend SJ, Sonja ist seit ihrem 14. Lebensjahr dabei. Rebellion gegen die elterliche Überzeugung kam nie infrage. Wehsely sagt, ganz angepasste rote Tochter, sie habe "immer gestalten und mithelfen wollen, die Welt ein bisschen gerechter zu machen". Das Pathetische dieser Antwort wird ihr wohl selbst bewusst, denn gleich beeilt sie sich, Praxisbezug herzustellen: Ja, auch das Krankenhaus Nord sei so ein Baustein zu einer gerechteren, weil "Gesundheitsversorgung für alle"-Welt.

Sie sei Teil des Wiener "family business", das sich immer selbst reproduziere, gegen Kritik immun sei und sogar untereinander heirate, monieren SPÖ-Kritiker. Die Beispiele: Kanzler Werner Faymann und die Wiener SPÖ-Gemeinderätin Martina Ludwig, Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny und SPÖ-Gemeinderätin Sonja Kato, Umweltstadträtin Uli Sima und Sozialstadtrat Christian Oxonitsch (wieder getrennt). Und nach dem Ausscheiden von Johann Hatzl sitzt nun dessen Frau im Gemeinderat. Wehsely wiederum ist seit ihrem 17. Lebensjahr mit dem heutigen Finanzstaatssekretär Andreas Schieder zusammen, die beiden haben einen Sohn. Wehsely verliert bei diesem Thema kurz ihre Fröhlichkeit: "Wir haben uns schon gekannt, da war keiner von uns in der Spitzenpolitik." Und überhaupt: "Alle jungen Frauen in der Wiener SPÖ haben selbst politisch gearbeitet, bevor sie ihre Partner kennenlernten."

Nicht alle in der Wiener SPÖ scheint das zu überzeugen. Ein paar Dämpfer gab's zuletzt für den "Wehsely-Clan". Sonja hätte, das war der Wunsch von Brigitte Ederer, nach deren Ausscheiden Bezirksparteivorsitzende des zweiten Wiener Gemeindebezirks, Leopoldstadt, werden sollen. In letzter Minute gab es einen Gegenkandidaten, der sich auch durchsetzte - Hannes Jarolim, Justizsprecher der SPÖ im Parlament. Im Frühjahr verhinderte eine Mehrheit der roten Gemeinderäte, dass Tanja Wehsely SPÖ-Klubchefin im Rathaus wurde.

Häupls angeblicher Grant

Diese Niederlage wird, wenig fein, von manchen in der Wiener SPÖ durchaus als "Ende der Weiberwirtschaft" gefeiert.

Häupl soll angesichts der Negativschlagzeilen um das Krankenhaus Nord gegrantelt haben: "Bringt's das in Ordnung, aber schnell!" Wenn es denn wahr ist, gilt so eine Bemerkung im roten Wien schon als allerhöchster Liebesentzug.

Andererseits wird hier bekanntlich selten so heiß gegessen wie gekocht. Und Sonja Wehsely gilt als "Steherin". Sie hat das Kritik-Dauerfeuer der Psychiatrie-Untersuchungskommission überstanden, gilt als konstruktive und zähe Verhandlerin. "Sie ist inhaltlich firm, paktfähig und äußerst sympathisch", schwärmt etwa ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger, der Wehsely von den Koalitionsverhandlungen kennt. Freilich: "Visionen für eine moderne Gesundheitspolitik fehlen ihr noch."

Ein solches Manko hat freilich in Österreich noch nie eine Politikerkarriere behindert. (Petra Stuiber/DER STANDARD-Printausgabe, 14.8.2009)