Schon unter Landeshauptmann Jörg Haider debattierten Juristen über die Möglichkeit, in der Ortstafelfrage eine Ministeranklage gegen ihn einzubringen, jetzt ergeht es seinem Nachfolger Gerhard Dörfler ähnlich.

Auch wenn man von "Minister"-Anklage spricht, beschränkt sich das Instrumentarium des Art. 142 B-VG nicht auf die Verantwortlichkeit von Ministern, sondern kann ebenso gegen die "obersten Bundes- und Landesorgane" verwendet werden.

Graue Theorie

Theoretisch kann die "Ministeranklage" also auch gegen Landeshauptleute erwirkt werden. Praktisch wird von dieser Möglichkeit in Österreich selten Gebrauch gemacht. Vor Allem deshalb, weil für die Anklage des Landeshauptmannes der "Beschluss der Bundesregierung", für die Anklage eines Mitgliedes des Landtages der "Beschluss des Landtages" nötig ist - und die meisten Regierungen "ihre" Landesoberhäupter natürlich nicht anklagen.

Erfolglose Versuche der Opposition in Richtung Ministeranklage gegen Landeshauptleute gabe es bereits mehrere, bis zum VfGH drangen nur drei Klagen vor: 1921 gegen den damaligen Wiener Bürgermeister Reumann, 1923 wieder gegen Reumann und 1985 gegen den Salzburger Landeshauptmann Haslauer.

Unmoralischer "Reigen" Schnitzlers

Die erste Anklage gegen den sozialistischen Wiener Bürgermeister Reumann betraf die Uraufführung des - damals sehr umstrittenen - Stückes "Reigen" von Arthur Schnitzler im Deutschen Volkstheater in Wien am 1. Februar 1921. Der damalige Innenminister Egon Glanz sah in der Aufführung einen "moralischen Skandal" und wollte, dass Reumann die Aufführungsbewilligung nochmals überprüft. Weil dieser nichts dergleichen tat, wurde er auf Beschluss der Bundesregierung beim Verfassungsgerichtshof unter Anklage gestellt. Die Folge: Reumann wurde vom VfGH freigesprochen, weil das "Ersuchen" des Innenministers keine rechtsverbindliche Weisung dargestellt hatte.

Verbotenes Krematorium

Auch das zweite Verfahren vor dem VfGH gegen Reumann drehte sich um eine Groteske: Entgegen der Weisung des Ministers Richard Schmitz hatte Reumann die Errichtung eines Krematoriums in Wien genehmigt. Diesmal, so entschied der VfGH, war zwar die Weisung korrekt gewesen, es kam dennoch zu keiner Verurteilung. Der Landeshauptmann sei einem "entschuldbaren Rechtsirrtum" unterlegen, er hatte das Bestattungswesen für eine Landesangelegenheit gehalten, in der der Bundesminister gar keine Weisungen erteilen dürfe.

Geöffnete Geschäfte

Der dritte Fall ist der einzige, in dem es auch zu einer Verurteilung durch den VfGH kam - und zwar auf Antrag der Bundesregierung. Nachdem der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer am 8. Dezember 1984 entgegen der Weisung des Sozialministers die Öffnung der Geschäfte genehmigt hatte, beschränkte sich der VfGH in seinem Urteil aber auf die Feststellung, daß eine Rechtsverletzung vorliege. Weitere Konsequenzen zog das Verfassungsgericht nicht.

Ein verurteilendes Erkenntnis hat prinzipiell auf Amtsverlust zu lauten - "unter besonders erschwerenden Umständen auch auf zeitlichen Verlust der politischen Rechte". In geringfügigen Fällen kann sich der VfGH - wie im Fall Haslauer - auf die Festellung beschränken, "daß eine Rechtsverletzung vorliegt".

Nicht das erste Mal

Auch Jörg Haider hätte schon einmal beinahe mit dem Mittel der Ministeranklage seinen Weg auf die Anklagebank des VfGH gefunden: Im Zuge der Bestellung des Aufsichtsrates der Kärntner Elektrizitäts AG (Kelag) entschied sich Haider, die neun Kandidaten des Landes selbst vorzuschlagen und nicht wie bisher einen Regierungsbeschluß herbeizuführen. Die SPÖ kündigte deshalb die Einbringung einer Ministeranklage gegen den Landeshauptmann an. Diese hätte vom Landtag beschlossen werden müssen, allerdings zog die Kärntner ÖVP nicht mit und verhinderte so die Anklage. (az, derStandard.at, 18.8.2009)