Cartoonist Haderer über Minister Mitterlehner: "Er ist noch unverbraucht. Damit gibt es für mich einfachere Modelle beim Zeichnen." Fotos: Corn

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STANDARD: Herr Minister, Gerhard Haderer ist quasi ein Krisenopfer: Das "Profil" kann sich seine Cartoons nicht mehr leisten. Wie trösten Sie Leute, die unter der schlechten Auftragslage leiden?

Mitterlehner: Das ist tatsächlich ein Problem, denn: Obwohl wir durchaus erfolgreich gegen die Wirtschaftskrise ankämpfen, ist man mit seinen Argumenten schnell am Ende, sobald man jemandem gegenübersitzt, der persönlich davon betroffen ist. - Aber um Herrn Haderer mache ich mir keine so großen Sorgen, weil er einen sehr hohen Marktwert hat - eine Möglichkeit in der Krise ist es, sich eigenständiger zu machen, was Sie ja auch getan haben.

Haderer: Na, aber für mich ist es schon eine Art Kulturschande, dass das Profil, mein ehemaliges Herzblatt, das 25 Jahre lang Satire im deutschen Sprachraum vorangetrieben hat, plötzlich auf seine Karikaturisten verzichtet. Ich hoffe nur, dass die Kohle, die man sich nun erspart, zumindest allen andern im Betrieb zugutekommt.

STANDARD: Sollte die Politik angesichts der Lage mehr tun?

Haderer: Ich wundere mich wirklich, warum an den Gefängnissen dieser Welt noch immer das Fahnderl "Zimmer frei!" draufhängt - weil ich meine, die müssten mittlerweile völlig überfüllt sein. Ja, warum setzt die Politik den Drahtziehern hinter dem Turbokapitalismus keine Grenzen und sagt endlich: "Bis hierher und nicht weiter" ?

Mitterlehner: Natürlich sind jetzt die Konsequenzen aus den Problemen zu ziehen, die im Finanzbereich entstanden sind: Dazu gehören die Maßnahmen der Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer, Produkte wie Akteure stärker zu regulieren und zu überwachen. Andernfalls schlagen wir die Brücke zur nächsten Krise.

STANDARD: Kann man überhaupt realistische Prognosen für ein Ende dieser Flaute treffen? Einerseits gibt es jetzt erste Jubelmeldungen über positive Konjunktursignale, andererseits auch Mahnungen, das Ganze sei damit noch lange nicht ausgestanden.

Mitterlehner: Was sich zumindest sagen lässt, ist: Österreich ist bis jetzt besser durch die Krise gekommen als zu Beginn befürchtet. Im EU-Vergleich sind wir im oberen Mittelfeld, auch, weil uns die international abgestimmten Konjunkturpakete geholfen haben: Was etwa die Deutschen investiert haben, kommt ja auch uns zugute. Nun gilt es aber, die halbwegs gute Stimmung weiter zu forcieren, damit wir nicht in die nächste Krise stürzen. Denn: Nur wenn gekauft wird, bewegt sich was.

Haderer: Da muss ich sarkastisch einwenden, dass viele Unternehmer durchaus goldene Zeiten hinter sich haben und dass sie nun soziale Einschnitte durchführen, die dreißig, vierzig Jahre lang nicht denkbar gewesen wären. In Medienunternehmen etwa muss man ja derzeit bei Betriebsversammlungen nur die eigene Zeitung mit der Headline "Wirtschaftskrise!" hochhalten - und schon sind die Angestellten bereit, für die halbe Gage doppelt so viel zu arbeiten. Ich halte diese Art von Manipulation kaum mehr aus im Kopf.

Mitterlehner: Stimmt, nur beim Humanfaktor anzusetzen, etwa bei den Mitarbeitergehältern, wäre falsch. Führende Unternehmen wie die Voest nehmen daher die Krise als Chance wahr und schauen darauf, dass sie den Betrieb von der Markt- und Angebotsseite her neu aufstellen. Zugleich investieren sie in Forschung und Innovation.

STANDARD: Aus künstlerischer Sicht: Ist Reinhold Mitterlehner als Regierungsmitglied einfach zu karikieren - oder eher ein schwieriger Fall?

Haderer: Meine Frau sagt, er sei ein höchst sympathischer Politiker - und ich habe auch keinen Grund, da meiner Frau zu widersprechen. Aber damit gibt es für mich auch einfachere Modelle beim Zeichnen. Es drängen sich halt einfach andere Figuren auf.

STANDARD: Welchen Politikertypus stellt für Sie der Wirtschaftsminister dar?

Haderer: Na, er ist noch höchst unverbraucht, plausibel im Auftreten - und was ich noch sagen muss, da zitiere ich wie der Columbo wieder meine Frau: Sie findet Sie sexy - ausstrahlungsmäßig gemeint!

Mitterlehner: Klingt ja interessant.

STANDARD: Können Sie damit etwas anfangen?

Mitterlehner: Die Fähigkeit, etwas Komplexes logisch erklären zu können, nehme ich gern für mich in Anspruch: Der Arbeiter im Kraftwerk muss mich genauso verstehen wie der Professor bei einer Podiumsdiskussion.

STANDARD: Und was sagen Sie zum Prädikat "sexy" ?

Mitterlehner: Mit dem hab ich mich, ehrlich gesagt, noch weniger beschäftigt. Aber es wäre doch schlechter, wenn das Prädikat "unsexy" lauten würde.

STANDARD: Sie sind beide Oberösterreicher - Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) kampagnisiert derzeit mit dem Spruch "Weil er Oberösterreich liebt" für die Wahl am 27. September. Gibt es irgendwas in dem Land, was vielleicht nicht so toll ist?

Mitterlehner: Wer liebt dieses Land nicht? Mit seiner Vielfalt der Landschaft, der Offenheit und Strebsamkeit der Bevölkerung. Neben Niederösterreich und der Steiermark liegt Oberöstereich halt auch am besten, was die Wirtschaftsdaten anbelangt - und das schon seit Jahren.

Haderer: Ich geb's ja zu: Ich bin ja genauso verknallt in das Land - aber es stehen halt derzeit überall diese Plakate mit der Landschaft und dem Sonnenuntergang - und ganz klein drinnen stehend sieht man den Landeshauptmann, versonnen schauend ...

STANDARD: Den Sie ja viel lieber wutschnaubend darstellen.

Haderer: Nein, nicht wutschnaubend. Bitzelnd, bitte! Das ist eine feine sprachliche Unterscheidung, die ich dem Josef Pühringer durchaus schuldig bin, um ihm gerecht zu werden.

STANDARD: Trotz alledem gibt es in Oberösterreich auch den Fall Zogaj. Der Umgang mit der Familie aus Frankenburg beschäftigt seit mehr als zwei Jahren die Landes- wie Bundespolitik.

Haderer: Stimmt, die Frau Innenminister Maria Fekter, die ich öfter zeichne und die übrigens auch gebürtige Oberösterreicherin ist, erklärte ja, dass sie davon "unbeeindruckt" sei, wenn sie Arigonas "Rehlein-Augen" aus dem Fernseher anstarren. Mich beeindruckt die Arigona sehr wohl. Der Umgang der Behörden, der Justiz mit dieser Familie ist wahrlich eine Schande für das Land.

Mitterlehner: Aber wir haben einen Rechtsstaat - und wenn es keine Asylgründe gibt, muss ich sie behandeln wie jeden anderen Fall. Aus Wirtschaftssicht kenne ich durchaus andere Fälle, in denen eine dramatischere Situation vorgelegen ist ...

Haderer: Entschuldigung, aber hier ist eine Familie auseinandergerissen worden! Das ist ein unerträgliches Faktum.

Mitterlehner: Da muss man aber schon auch sagen, dass die Familie das selber teilweise provoziert hat: weil Vater und Mutter eine sehr eigensinnige Rolle gespielt haben. Ich an ihrer Stelle hätte versucht, mich in Österreich anzusiedeln, aber nicht aus Asylgründen.

STANDARD: Herr Minister, müssten Sie nicht ein starkes Interesse daran haben, für Asylwerber, die mitunter seit Jahren hier leben, endlich den Arbeitsmarkt zu öffnen?

Mitterlehner: Vordringlich ist es, dass die Asylverfahren möglichst rasch abgewickelt werden, damit die Leute erst gar nicht in diese Situation kommen. Allerdings ist derzeit, in Krisenzeiten, kaum Platz, für Asylwerber bessere Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen. Sonst entsteht schnell der Eindruck, das wir da ausgerechnet jetzt noch zusätzliche Konkurrenz zulassen.

STANDARD: Wie ist das mit dem Katholizismus in Oberösterreich: Da und dort geraten Pfarrer in die Schlagzeilen, weil sie nicht zölibatär leben. Braucht man das alles heute nicht mehr so eng zu sehen?

Mitterlehner: Das ist eine Angelegenheit, die die katholische Kirche für sich klären muss. Zu denken sollte den Verantwortlichen in Rom dabei vielleicht geben, was faktisch ohnehin längst vorhanden ist und nicht ewig verdrängt werden kann.

Haderer: Als Menschenfreund würde ich mir auch wünschen, dass das Zölibat endlich ersatzlos gestrichen wird, um den armen Priestern ihre Seelenqualen zu ersparen. Ich hab da wirklich Mitleid.

STANDARD: Wie bilanzieren Sie über die erste schwarz-grüne Landesregierung der letzten sechs Jahre in Oberösterreich?

Haderer: Ich frag mich, was mit den Grünen los ist. Einst sind sie als die Alternative angetreten - aber das war mir zu wenig. Ich habe gehofft, dass man den Grünen einige Aktionen zurechnen wird können, ein Wahlverein Rudi Anschober ist mir jedoch zu wenig. Der wahrscheinliche Wahlgewinner Pühringer hat es relativ schön rund um ihn im Augenblick - ansonsten befürchte ich nur, dass die Freiheitlichen halt wieder einen starken Zulauf haben werden.

Mitterlehner: Die Zusammenarbeit zwischen Schwarz und Grün hat sehr gut funktioniert. Aber - und da gebe ich Ihnen recht: Was fehlt, ist das Alleinstellungsmerkmal, sodass quasi auch der Portier im Landhaus erklären kann, was die schwarz-grüne Regierung so von anderen unterscheidet.

STANDARD: Ist jetzt die FPÖ möglicher Koalitionspartner für die ÖVP?

Mitterlehner: Jetzt ist einmal der Wähler am Wort. Bis dahin ist, in Zeiten der Wirtschaftskrise, wie ich befürchte, das Ausländerthema wieder sehr relevant. Daher sage ich nur: Die ÖVP hat ihre Inhalte gut umgesetzt - aber die Wahl haben wir noch nicht gewonnen. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Printausgabe, 22. August 2009)