München/Wien - Michael Hanekes in Cannes mit der Goldenen Palme prämierter Film Das weiße Band geht ins Rennen um die Oscar-Nominierungen für den besten nicht englischsprachigen Film - allerdings nicht für Österreich, sondern für Deutschland. Die von der Auslandsvertretung der deutschen Filmbranche, German Films, einberufene Jury hat die Koproduktion am Mittwoch gegenüber anderen aussichtsreichen Kandidaten wie John Rabe favorisiert. Sie ist damit einer österreichischen Einreichung zuvorgekommen.

Verwirrung herrscht indes über die Auslegung der Statuten der Academy, die diese Entscheidung ermöglicht hat. Veit Heiduschka, heimischer Ko-Produzent des Films, sagte dem Standard, sowohl Deutschland als auch Österreich hätten um eine Nominierung angefragt, die Academy hätte beides für rechtens befunden - wobei die Regeln jedes Jahr neu ausgelegt werden: "Sicher ist nur, dass der Film abgelehnt worden wäre, hätten beide Länder eingereicht." Der Grund: Die Academy will nicht den Part des Richters übernehmen.

Heiduschka sieht die Entscheidung pragmatisch ("ein europäischer Film eines österreichischen Regisseurs" ), zerknirschter zeigte sich Martin Schweighofer, Chef der Austrian Film Commission: "Ich bin nicht glücklich, doch das Ergebnis ist zu akzeptieren. Das Unbehagen entsteht aufgrund der schwammigen Regeln der Academy. In wesentlichen Funktionen ist der Film ein österreichischer."

Hintergrund fürs Überholmanöver sind taktische Überlegungen: Da Österreich zweimal nominiert war (Die Fälscher, Revanche), erhoffe man sich mit einer deutschen Nominierung höhere Chancen. Der US-Verleiher, Sony Pictures Classics, habe aus kommerziellem Kalkül Druck ausgeübt. Ein anderer Preis fürHaneke steht bereits fest: Die internationale Filmkritiker-Vereinigung Fipresci hat Das weiße Band zum besten Film des Jahres erkoren. Der heimische Oscar-Beitrag wird Anfang nächster Woche bekanntgegeben. (kam / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.8.2009)