Wer arm ist, erhält Unterstützung vom Staat - zumindest in der Theorie. Aktuelle Berechnungen der Armutskonferenz zeigen jetzt: Nur ein Bruchteil der Armen und Armutsgefährdeten in Österreich erhält auch tatsächlich Sozialhilfe. Dabei gibt es gravierende Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. So hat im Burgenland nur eine von 43 Personen, die unter der Armutsgrenze leben, im Jahr 2007 zumindest einmal eine Sozialhilfe-Geldleistung erhalten. In Kärnten war es jede 41 Person.

Sonderfall Wien

Am besten funktioniert das System in Wien, dort hat jede dritte einkommensarme Person zumindest einmal eine Sozialhilfe-Leistung erhalten. Auch sonst ist die Situation in der Bundeshauptstadt einzigartig. In Wien leben 58 Prozent der Sozialhilfe-EmpfängerInnen. Auf einen Sozialhilfe-Empfänger kommen 19 EinwohnerInnen, während der Wert am anderen Ende der Skala bis auf 388 Personen pro Sozialhilfeempfänger in Kärnten ansteigt.

Auch sonst bieten die Zahlen interessante Einblicke in die Unterschiede zwischen den Bundesländern. Während sowohl  in Niederösterreich als auch in Wien je ein Fünftel der österreichischen Bevölkerung lebt, sind die Ausgaben für Sozialhilfe im jeweiligen Land sehr verschieden. In Niederösterreich fallen neun Prozent der österreichischen Gesamtausgabenfür Sozialhilfe an, in Wien sind es 59 Prozent.

Armut bedeutet nicht unbedingt Anspruch auf Sozialhilfe

Bei den gravierenden Unterschieden der Zahlen von Sozialhilfe-BezieherInnen gegenüber Armen oder Amrutsgefährdeten muss allerdings berücksichtigt werden, dass Armut nicht unbedingt gleichbedeutend ist mit einer Berechtigung auf den Bezug von Sozialhilfe. Es gibt einkommensarme Personen, die keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben. Das sind etwa in einigen Bundesländern MigrantInnen ohne Daueraufenthaltstitel;
Personen, die die Ausgleichszulage im Pensionssystem erhalten, deren Sicherungsniveau aber unter der EU-SILC-Grenze liegt (seit 2003 wird die Armutsgefährdung mit der Erhebung EU-SILC ermittelt ). Außerdem gibt es Personen, deren Einkommen unter der EU-SILC-Schwelle, aber über der jeweiligen Landes-Sozialhilfe-Schwelle liegt.

179 Euro pro Monat

Weiters legt die Statistik dar, dass im Schnitt pro Sozialhilfe-EmpfängerIn und Monat 179 Euro ausgegeben werden. Daraus lässt sich schließen, dass das immer wieder bemühte Bild von Menschen, die jahrelang ausschließlich von der Sozialhilfe leben, nicht realistisch ist. In Summe haben die Bundesländer im Jahr 2007  328 Millionen Euro für die Geldleistungen der offenen Sozialhilfe ausgegeben. Das ist etwa ein halbes Prozent der Gesamtsozialausgaben.

Die Armutskonferenz betont in einer Aussendung die Brisanz der Unterschiede zwischen Anspruchsberechtigten und tatsächlichen Beziehern: "Auch wenn die Zahl der Einkommensarmen nicht mit der Zahl der Sozialhilfe-Anspruchsberechtigten ident ist  sind diese Zahlen ein weiterer eindrücklicher Beleg für die hohe Nicht-Inanspruchnahme von Sozialhilfe in Österreich. In eine Studie hat zuletzt das Europäische Zentrum für Wohlfahrtspolitik das Ausmaß dieser Nicht-Inanspruchnahme mit 49 Prozent bis 61 Prozent der Anspruchsberechtigten beziffert - demnach erhalten zumindest 150.000 Menschen keine Sozialhilfe, obwohl sie Anspruch hätten." Das lege den Schluss nahe, dass oft nur einmalige oder kurzfristige Leistungen gewährt werden, Sozialhilfe also oft nicht mehr sei als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Verzichten aus Scham

Die Gründe für die Inanspruchnahme sind vielfältig, berichtet die Armutskonferenz: "Uninformiertheit, Scham, grobe Mängel im Sozialhilfevollzug und unannehmbare Bedingungen, wie z.B. die grundbüchliche Sicherstellung des Eigenheims und eventuelle Unterhaltsklagen gegen Angehörige." In einer Studie aus 2008 berichteten viele Betroffene von Missständen und Mängeln im Verzug der Sozialhilfe. Ein Großteil der KlientInnen beklagte außerdem demütigende, herablassende oder "schulmeisterliche" Behandlung durch die Sozialämter(az, derStandard.at, 28.8.2009)