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Paul Grosz 1925-2009

Foto: APA/Schlager

Wien - Der ehemalige Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Paul Grosz, ist am Samstag im 85. Lebensjahr gestorben. Das teilte IKG-Generalsekretär Raimund Fastenbauer am Abend mit. Grosz stand in den Jahren 1987 bis 1998 an der Spitze der IKG, zuletzt war er ihr Ehrenpräsident gewesen. Das Begräbnis findet Montag um 15.00 Uhr am Zentralfriedhof (4. Tor) statt.

In Würde zu leben, das war der größte Wunsch von Paul Grosz, des früheren Präsidenten - und späterem Ehrenpräsidenten - der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), der am Samstag im 85. Lebensjahr gestorben ist. In den Jahren 1987 bis 1998 stand er an der Spitze der IKG. Als seinen Verdienst in dieser Position hat er es gesehen, die Gemeinde und ihre Mitglieder aus der Resignation herausgeführt zu haben. "Ich habe eine verunsicherte und resignierte Gemeinde vorgefunden", hatte er im Jahr 2005 in einem APA-Gespräch anlässlich seines 80. Geburtstags gesagt.

Zu Beginn seiner Amtszeit hätten die Gemeindemitglieder - etwa in der Causa Waldheim - die Interessen der jüdischen Gemeinde alles andere als geschlossen vertreten. "Daher", so Grosz, "habe ich versucht, jedes Mitglied der jüdischen Gemeinde zu bestärken, im Privaten wie im Gesellschaftlichen entsprechend selbstsicherer aufzutreten." Bundespräsident Heinz Fischer hatte Grosz zu dessen 80. Geburtstag gedankt für seine Bemühungen, "das neu entstandene jüdische Selbstbewusstsein zu kräftigen, antisemitische Vorurteile zu bekämpfen und den Dialog zwischen den jüdischen Landsleuten, der nichtjüdischen Öffentlichkeit und anderen Religionsgesellschaften und Kirchen zu fördern".

Als "U-Boot" durch den Nationalsozialismus

Paul Grosz wurde am 18. Juli 1925 als Sohn eines Kürschnermeisters in Wien geboren. Der Deportation durch die Nationalsozialisten konnte er gemeinsam mit seinem Vater entkommen. Als "U-Boot" gelang es ihm, sich bis Kriegsende durchzuschlagen. Unmittelbar nach dem Krieg erlernte Grosz das Kürschnerhandwerk. 1947 holte er die Matura nach, ein Jahr darauf begann er ein Chemiestudium. 1950 wanderte Grosz in die USA aus. Bereits 1955 kehrte er nach dem Tod seines Vaters aber nach Österreich zurück.

1972 wurde Paul Grosz erstmals in den Vorstand der IKG gewählt, 1987 wurde er deren Präsident. 1998 löste ihn der nunmehrige Präsident Ariel Muzicant ab. In einem ersten Wahlgang im Kultusvorstand herrschte Stimmengleichstand zwischen den beiden Anwärtern, Grosz zog seine Kandidatur daraufhin zurück.

In die Amtszeit von Grosz fielen unter anderem die Einrichtung des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus und die Mauerbach-Auktion: Im Herbst 1996 hat das Auktionshaus Christie's im Auftrag der IKG Kunstgegenstände versteigert, die von den Nazis geraubt und dann jahrzehntelang in der Kartause Mauerbach gelagert worden waren. Grosz fand für sein Wirken auch Anerkennung durch das offizielle Österreich: 1992 verlieh ihm der damalige Unterrichtsminister Rudolf Scholten den Berufstitel "Hofrat". Und im März 1999 wurde er zum "Bürger" der Stadt Wien ernannt.

Für Häupl verliert Wien "Kämpfer gegen Fremdenhass"

Für Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) verliert die Stadt Wien durch den Tod des ehemaligen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Paul Grosz, "einen großen Bürger, Mahner und Kämpfer gegen Fremdenhass und Antisemitismus". Grosz habe "maßgeblich an der Vertiefung des gegenseitigen Verständnisses zwischen Menschen anderer Religionsbekenntnisse insbesondere jüdischer Mitbürger mitgewirkt und somit einen wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung antisemitischer Vorurteile geleistet", so Häupl in einer Aussendung am Sonntag.

"Paul Grosz suchte stets den Dialog mit der Stadt Wien und leitete eine neue Ära der Sachlichkeit in den gegenseitigen Beziehungen ein", so Häupl weiter. Es sei dessen vorrangiges Bestreben gewesen, die jüdischen Werte innerhalb der Gemeinde hochzuhalten, aber auch fruchtbringende Beziehungen zur nichtjüdischen Öffentlichkeit und anderen Religionsgemeinschaften zu schaffen. Zahlreiche wichtige Vorhaben, wie die Modernisierung des Maimonides-Zentrums oder neue Schulbauten gingen auf Grosz' Initiative zurück, so Häupl.

FPÖ und Grüne bedauern Tod von "Integrationsfigur"

Auch FPÖ und Grüne haben am Sonntag den Tod des ehemaligen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Paul Grosz, bedauert. Während der blaue Wiener Landtagsabgeordnete David Lasar in einer Aussendung von einer Integrationsfigur sprach, vermisst der grüne Bildungssprecher Harald Walser eine Persönlichkeit des Ausgleichs.

"Mit Paul Grosz verliert die jüdische Gemeinde in Wien eine Integrationsfigur", meinte Lasar. "Im Gegensatz zu anderen Repräsentanten der jüdischen Gemeinde hat Paul Grosz immer das Gemeinsame über das Trennende gestellt." Die FPÖ befindet sich derzeit im Clinch mit der IKG Wien und deren derzeitigen Präsidenten Ariel Muzicant. Walser meinte gegenüber der APA, mit Grosz sei eine Persönlichkeit gegangen, die immer um Ausgleich bemüht gewesen sei. Der Verstorbene habe sich vor allem um Versöhnung nach dem Holocaust bemüht und sei einer der Ersten gewesen, der der jüdischen Gemeinde in Wien eine Stimme verliehen habe.

Bundespräsident Fischer betroffen

Mit Betroffenheit hat Bundespräsident Heinz Fischer auf die Nachricht vom Tod des ehemaligen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Paul Grosz, reagiert. "In den zwölf Jahren, in denen Paul Grosz als Präsident an der Spitze der Israelitischen Kultusgemeinde gestanden ist, wusste er die Anliegen der jüdischen Gemeinde mit großem Verantwortungsbewusstsein, mit Effizienz und in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den staatlichen Institutionen unserer Republik zu vertreten", hieß es am Sonntag in einer Stellungnahme gegenüber der APA.

"Die Errichtung des Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus und andere bedeutende Projekte, die während seiner Amtszeit umgesetzt werden konnten, werden mit dem Namen Paul Grosz dauerhaft verbunden bleiben", würdigte der Bundespräsident das Werk von Grosz. (APA)