"Wadenbelastende Schräglagen", lautet die Diagnose für den Golfplatz am Millstätter See nach einer Sprechstunde beim Golfdoktor.

Foto: Golfland Kärnten

Schon vor der Platzreife, dem offiziellen Entree für den heiligen Rasen, träumte die Golferin vom Tiger-Schwung und einem langen Drive in die Mitte des Fairways. Stattdessen führte das Eindreschen auf den kleinen Ball aber nur dazu, dass Schulter und Rücken schmerzten. Auf dem Grün wollte sie immer mehr, konnte aber immer weniger, sie golfte bis zum Hexenschuss. Nachhilfe beim Golflehrer brachte keine Abhilfe, sondern führte zu noch mehr Frust. Da kommt der Auftrag gerade recht, die erste von der Professional Golf Association zertifizierte Golf-Klinik Österreichs zu testen.

Karin Aul, Fachärztin für Orthopädie, leitet zusammen mit einer Physiotherapeutin seit einem Jahr das Therapiezentrum im Thermen-resort Warmbaderhof in Villach. Sie sitzt ihren Patienten nicht im Weißkittel gegenüber, sondern in heller Hose und lindgrünem Shirt. Ganz so, als käme sie gerade von einer Runde am Platz. Sie spricht die Golfersprache und hat soeben ihre Mental-Coach-Ausbildung absolviert. Nun füllt sie den Anamnesebogen aus und meint nur: "Golf ist eine absolut gesunde Sportart, aber auch eine, bei der man viel falsch machen kann." Schlechter Griff, Schaufelbewegungen, falsche Ansprechposition und übertriebener Ehrgeiz seien beste Voraussetzungen für Wirbelsäulenprobleme und Gelenkschmerzen. Und die Ursache dafür, dass Schläge nicht gelingen. "Wer dann noch schlecht beraten wird, hört entmutigt auf."

Präventives Soll am Ball

Hier setzt das Konzept der Golf Klinik an. Was sich zunächst wie eine Marketingstrategie in Luxus-verpackung anhört, offenbart sich als ernst zu nehmende Vorbeuge-Therapie für golfspezifische Probleme. "Golf soll Spaß machen - in jedem Alter. Der Ball soll fliegen, die Knochen sollen halten", sagt Karin Aul, selbst seit 17 Jahren Spielerin. Sie ist sich sicher, dass mit der wachsenden Begeisterung für den Golfsport auch das Interesse am "gesunden Spiel" wächst. Bundesweit legen es inzwischen bis zu 150.000 Amateure - vom Postbeamten bis zum Generaldirektor, Tendenz jährlich um rund zehn Prozent steigend - darauf an, den kleinen Kunststoffball mit möglichst wenig Schlägen zu versenken.

Jetzt steht die Golferin auf einem Bein, und das Knie schlottert, die Hände umklammern eine Stange im Nacken, mit dem anderen Bein übersteigt sie ein straff gespanntes Band: "Hürdenschritt" heißt die Übung. Sie ist eine von insgesamt sieben, die körperliche Schwachstellen aufdecken sollen. Ergebnis: Balance und Beweglichkeit zufriedenstellend - Rumpfmuskulatur ausbaufähig.

Anschließend wird der eigene Schwung per Video in Einzelteile zerlegt und mit dem sogenannten Referenzschwung eines Profis synchronisiert: Die Golferin steht beim Aufschwung fast auf Zehenspitzen, beim Rückschwung liegt das Gewicht auf dem falschen Fuß. Die Wirbelsäule ächzt, und die Hüfte zeigt nicht in Richtung Ziel. Karin Aul empfiehlt gezieltes Koordinationstraining auf der Driving Range. "Stabilität ist das A und O." Tiger Woods und den perfekten Golfschwung, den es ohnehin nicht gibt, solle die Spielerin vergessen. Jeder und jede hat einen individuellen Schwung. Genau den gilt es zu optimieren, um künftig nicht nur erfolgreich, sondern auch beschwerdefrei spielen zu können.

Ein ganzer Schwung Arbeit

Golfen ist Schwerstarbeit. Deshalb ist Aufwärmen die halbe Miete für einen guten Schwung. "In keinem anderen Sport werden so viele Muskeln des Bewegungsapparates beansprucht. Die Pulsfrequenz erreicht Spitzenwerte", sagt Karin Aul und hält ein dickes Bündel Papier mit individuell zusammengestellten Übungen bereit.

In Deutschland gibt es mehrere solcher Einrichtungen, die aber meistens Kliniken angeschlossen sind. In Villach tauchen Golf-Patienten nach dem Spiel erst einmal im Thermalbad des Hotels ab. Die belebenden Kräfte des Warmbader Quellwassers sind jedenfalls spürbar wohltuend. Abends im Restaurant haben Gäste die Wahl zwischen Hauben-Küche oder der Schlemmer-Diät nach Michel Montignac, auf die Hoteldirektor Helmut Weiss recht stolz ist. Immerhin sollen auf diese Weise Karl Lagerfeld und Paul Bocuse überflüssiges Gewicht verloren haben.

Zum Abtrainieren von Körperballast eignen sich einige der elf Golfplätze in einem Radius von 80 Kilometern um Villach besonders gut: der Veldener oberhalb des Wörthersees etwa, der mit mehr als 150 Meter Höhendifferenz aufwartet, oder jener steil über dem Millstätter See angelegte. Und nur so zum Vergleich: Eine Sprechstunde beim Golfdoktor ist zumeist günstiger als der Frustkauf eines neuen "Wunderschlägers". (Claudia Rammin/DER STANDARD/Printausgabe/29.8.2009)