"Sonnengeflechte" (2004) - eine Installation mit Birken am Oberen Schwarzhornsee mit Blick auf die Hochalmspitze.

Foto: Elke Maier

Millstatt - Ein Schlüsselerlebnis war für die in Kärnten lebende, aus Deutschland gebürtige Künstlerin Elke Maier, als sie im Stadtpark von Spittal/Drau einen abgestorbenen Walnussbaum entdeckte. Graubraune Äste ragten in den Himmel, das kahle Baumgerüst ließ die einstige Lebensfülle des Baumes nur mehr ahnen.

Spontan beschließt Maier, den toten Baum in seiner Lichtgestalt abzubilden, umwebt ihn mit feinstem weißen Garn, zieht Linie um Linie ihr zartes Gespinst, bis die Baumkrone in einem dreidimensionalen Lichtkokon zu strahlen beginnt. Das Licht bricht sich in den Regentropfen, die am weißen Garn perlen, es bricht sich in zahllosen Insektenflügeln, die auf der Baumrinde wimmeln. Dieses Licht will Elke Maier dort, wo andere nur Abfall sehen, sichtbar machen.

Nach den Licht-Bäumen entwickelt sie bald eine neue Formen- Licht-Sprache. Nun verleiht sie den Bäumen Flügel. Gefällte Birken mit besonders biegsamen Zweigen werden mit hauchdünn verleimter Zellfaserwolle beschichtet. Sonnengeflechte nennt Elke Maier diese Bäume, eine Symbiose zwischen Kunst und Natur.

Maier arbeitet nur mit Materialien, die sie in der Natur findet. Flora und Fauna werden in einem stetigen Umwandlungsprozess dem natürlichen Kreislauf von Entfaltung und Zerfall zugeführt.

So setzt sie, unter enormen körperlichen Strapazen, ihre Kunstgriffe etwa am weit abgelegenen Federbaum in der Feistritzklamm von Schloss Herberstein oder am Eierfelsen im Seebachtal im Nationalpark Hohe Tauern. Dort, am Fuße der Hochalmspitze, in 2200 Metern Seehöhe, hat sie einem in zwei Teile zerbrochenen Felsbrocken tausende Eierschalen angeklebt. Als Klebstoff hat sie Baumharz vor Ort in einem kleinen Kocher verflüssigt.

Wie Perlen leuchten die Eierschalen in der hochalpinen Sonne, weithin sichtbar, Wind und Wetter preisgegeben, bis nur mehr ihre "Abdrücke" Spuren auf dem rauen Stein hinterlassen. Sie nehme nur so viel Harz von den Bäumen, wie diese bereit seien zu geben, sagt Maier, ganz im Sinne von Joseph Beuys, der den Baum als Autorität verstand.

"Ich zerstöre nicht, ich bin eine Lebenssammlerin", sagt Elke Maier von sich. Es tangiert sie auch nicht, ob jemand ihre bisweilen weit abgelegenen Arbeiten in der Landschaft wahrnimmt, "es ist eine in sich vollendete Arbeit auch dann, wenn niemand außer mir sie je gesehen hat". Um das Umkreisen des Unnennbaren geht es ihr, um lichterfüllte Zwischenräume, um jenen Verwandlungsprozess, den Ovid in seinen Metamorphosen bespricht.

Wenig verwunderlich, dass sie auch sakrale Räume mit feinstem Garn durchmisst; erstmals in der Welschen Kirche in Graz. Projekte in Deutschland und in Österreich folgten, die Stiftskirche Wilten etwa, der Innsbrucker und der Klagenfurter Dom. In Wilten wie auch in Klagenfurt arbeitete Elke Maier übrigens mit ihrem Lebensgefährten, dem Steinbildhauer Georg Planer, zusammen. Tausende Lichtfäden hatte sie an Planers am Boden liegenden menschlichen Erdkörpern befestigt und himmelwärts an der Kirchendecke festgezurrt, hat Mensch, Natur und überwirkliche Welt miteinander verbunden. Die Lebensammlerin Elke Maier hat die Fäden gezogen. (Elisabeth Steiner / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.9.2009)