VerteidigerInnen der Fristenlösung und AbtreibungsgegnerInnen treffen immer wieder aufeinander.

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So heftig wie derzeit wurde die Diskussion schon lange nicht mehr geführt.

Robert Newald

Wien - Der Slogan ist noch derselbe wie in den 70er-Jahren - "Mein Bauch gehört mir". Die jungen Frauen, die das Transparent am Donnerstagabend beim Rathaus in die Höhe halten, waren damals noch gar nicht auf der Welt. "Abtreibung ist Frauenrecht, bei Pro Life da wird mir schlecht", skandiert die Gruppe in Richtung der Abtreibungsgegner, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen. Ein junger "Lebensschützer" lässt sich provozieren, redet sich am Absperrgitter, das die beiden Gruppen trennt, in Rage. "Komm, beruhige dich" , sagt eine seiner Mitstreiterinnen, "wir wissen, was wir in unseren Herzen tragen" . Bis auf ein paar Wasserbomben verliefen die Kundgebungen friedlich. Laut Polizei haben auf jeder Seite rund 350 Demonstranten teilgenommen.

Der Empfang, zu dem die Stadt zum 30-jährigen Bestehen des Ambulatoriums "pro:woman" am Fleischmarkt geladen hatte, war als kleine Feier geplant, hat aber zu einer heftig geführten Debatte über die Fristenlösung geführt.

Losgetreten worden war die Diskussion in der vergangenen Woche, als der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn Bürgermeister Michael Häupl (SP) in einem Brief aufforderte, die Veranstaltung abzusagen. Durch das Fest werde deutlich gemacht, dass es "offenbar keinen Konsens im Hinblick auf den Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis an gibt" , schrieb Schönborn und forderte einen runden Tisch, um "über die Verwirklichung flankierender Maßnahmen zu reden" . Die Veranstaltung für "pro:woman" wurde schließlich, laut Bürgermeister-Büro "aus technischen Gründen" , in den Rathauskeller verlegt. Häupl und Schönborn werden einander demnächst zu einem Gespräch treffen.

Die Partei "Die Christen" hatte für Donnerstag zum "stillen Protest" aufgerufen. Verstärkung erhielten sie von BZÖ-Mandatar Ewald Stadler. Die Wiener Grünen hielten ihre Kundgebung gemeinsam mit dem VSStÖ, der Sozialistischen Jugend und die Aktion Kritischer Schüler ab.

"Abbrüche in allen Ländern"

"Wir brauchen die Fristenlösung nicht zu verteidigen, die kann uns niemand mehr wegnehmen" , sagte die frühere Frauenministerin Johanna Dohnal bei der Kundgebung der SP-Frauen. Ziel müsse es sein, dass in allen Bundesländern an öffentlichen Spitälern Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden. Dohnal hatte diese Woche in einem Standard-Interview gesagt, dass sie den Aufschrei seitens der SPÖ vermisse. Donnerstagfrüh riefen schließlich auch die SPÖ-Frauen zu einer Protestkundgebung auf. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek kam eigens von der SPÖ-Präsidiumsklausur aus Linz nach Wien. Es könne nicht angehen, dass radikale Gruppen Druck auf Frauen ausüben und Ambulatorien mit Konzentrationslagern vergleichen würden. Sie wolle nun rechtliche Schritte prüfen lassen, sagte Heinisch-Hosek.

Auf die Frage, ob sie bei ihrem Amtsantritt gedacht habe, dass sie jemals wieder für die Fristenlösung auf die Straße gehen würde, sagte Heinisch-Hosek zum Standard: "Ich habe nicht gedacht, dass man noch einmal eine Demo anmelden muss." International vernetzte radikale Abtreibungsgegner würden immer wieder probieren, einen "Versuchsballon" zu starten. Sie habe mit Innenministerin Maria Fekter (VP) erste Gespräche bezüglich bundesweiter Schutzzonen vor Kliniken geführt. Man müsse die Einrichtungen so betreten können, "dass kein Psychoterror passiert". (Bettina Fernsebner-Kokert, DER STANDARD/Printausgabe 4.9.2009)