"Man kann und soll die Probleme mit dem Dritten Nationalratspräsidenten zum Anlass nehmen,Wahl und Abwahl gesamthaft zu regeln", sagt der Präsident.

Foto: Matthias CREMER

Standard: Herr Bundespräsident, geben Sie heute Ihre Wiederkandidatur bekannt?

Fischer: Ich schlage vor, dass wir jetzt mit dem Interview beginnen.

Standard: Ja, gerne. Geben Sie heute Ihre Wiederkandidatur bekannt?

Fischer: (lacht) Also wann kommt die erste Frage?

Standard: Wie geht es Ihnen damit, dass die Frage Ihrer Wiederkandidatur von der ÖVP und teils auch in den Medien bereits recht kritisch diskutiert wird? Da werden Sie auch schon einmal härter angefasst, als das sonst im Umgang mit dem Bundespräsidenten der Fall ist.

Fischer: Das ist nicht mein Problem, das ist offenbar das Problem von anderen. Wenn von mancher Seite immer wieder Fragen zu meiner Kandidatur aufgeworfen werden, ändert das nichts an meiner Haltung: klare Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt und ein kurzer Wahlkampf. Und im Übrigen Konzentration auf die eigentlichen Aufgaben in unserem Land.

Standard: Irritiert Sie das nicht, dass Ihre Amtsführung jetzt schon sehr kontroversiell diskutiert wird?

Fischer: Nicht wirklich.

Standard: Gehört das zum Politikersein dazu, dass man Kritik einfach abschüttelt?

Fischer: Es liegen ja keine ernsthaften Argumente vor.

Standard: Von der ÖVP wird gegen Sie ins Treffen geführt, dass Sie aus dem "Herzen der Sozialdemokratie" kämen, was ja nicht ganz falsch ist, und dass Sie eine "rote Brille" aufhätten. Was halten Sie dem entgegen?

Fischer: Wichtig ist, dass die Bevölkerung weiß, dass ich dieses Amt überparteilich ausübe. Das wird übrigens auch von sehr vielen hohen und höchsten Vertretern der Volkspartei und anderer Parteien so anerkannt.

Standard: Wie stehen Sie zu Erwin Pröll? Sind Sie gut bekannt, vielleicht befreundet?

Fischer: Wir kennen uns seit Jahrzehnten und haben ein sehr ordentliches Verhältnis.

Standard: Was ist das für ein Gefühl, wenn die "Kronen Zeitung" so etwas wie eine Kampagne gegen Ihre Person beginnt?

Fischer: Das rechne ich Ihnen hoch an, dass Sie sich um mein Gefühlsleben sorgen. Aber ich kann Sie beruhigen: Mein Gefühlshaushalt ist völlig in Ordnung.

Standard: Muss man als Bundespräsident seine politische Gesinnung ablegen? Sie wurden von einer Partei nominiert, der Sie auch Ihre Wahl verdanken, und dann sollen Sie auf einmal der Bundespräsident aller Österreicher sein, egal welche politische Einstellung diese haben?

Fischer: Am Tag meiner Angelobung habe ich dazu klar Stellung genommen. Ich werde den Idealen und Prinzipien meiner Jugend treu bleiben: Menschenrechte, Gerechtigkeit, Engagement für die Schwächeren, Eintreten für Frieden, Demokratie und Europa. Aber ich werde das Amt des Bundespräsidenten überparteilich und ohne jede politische Einseitigkeit ausüben. Das wissen alle. Es wird niemand in der Lage sein, Verstöße gegen dieses Prinzip zu benennen.

Standard: Ein Vorwurf, der Ihnen gemacht wird, lautet, Sie hätten sich zu wenig eingebracht, sich zu wenig eingemischt.

Fischer: Ich glaube, dass das meine Stärke ist. Dass ich mich mit Einmischung in die Tagespolitik zurückhalte. Sie wissen sicher, dass diesen Vorwurf jene erheben, die gerne hätten, dass ich mich einmische, um mir diese Einmischung dann vorwerfen zu können. Ich halte es im Wesentlichen so wie Kirchschläger.

Standard: Apropos Einmischung - haben Sie ein politischen Déjà-vu-Erlebnis, wenn Sie sich jetzt die Koalition anschauen? Da könnte man den gleichen Stillstand und die gleiche Blockadepolitik diagnostizieren, wie wir das von der letzten Koalition kennen.

Fischer: Diese Beobachtung ist falsch. Die jetzige Regierung weiß, welche Fehler sie nicht wiederholen darf. Natürlich kann man es nicht allen recht machen. Der Regierung wird gleichzeitig vorgeworfen, sie kuschelt zu viel und sie streitet zu viel. Es kann ja nicht beides richtig sein. Faktum ist: Wir haben ein Wahlergebnis, das eine Zusammenarbeit der beiden stimmenstärksten Parteien logisch gemacht hat. Auf dieser Basis ist die Regierung Faymann/Pröll entstanden, und ich habe mich um diese Regierungsbildung bemüht. Diese Regierung hat es mit schwierigen Rahmenbedingungen zu tun.

Ich glaube, dass man dieser Regierung ein engagiertes Bemühen um die Verwirklichung ihres Regierungsprogramms nicht absprechen kann und dass sie mit den Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise auf der richtigen Linie liegt. Natürlich muss sich diese und jede andere Regierung auch Kritik gefallen lassen. Aber als Bundespräsident will ich dieser Regierung Rückhalt geben. Es gibt genug andere, die die Aufgabe des kritischen Analysierens erfüllen. Aber der Bundespräsident soll nach meinem Amtsverständnis nicht ein Störfaktor und ein Besserwisser, sondern ein konstruktiver Faktor in der Politik sein.

Standard: Aber Sie verstehen sich doch auch als Mahner.

Fischer: Das Wort Mahner ist von einem meiner Vorgänger relativ oft verwendet worden. Von mir nur selten. Irgendwann ist natürlich auch eine Mahnung sinnvoll. Aber ich definiere den Bundespräsidenten nicht als Mahner, sondern als einen, der seine verfassungsmäßigen Aufgaben konstruktiv und gestützt auf seine politische Erfahrung und im Bemühen, dem Land zu dienen, vor und hinter den Kulissen ausübt. Nötigenfalls wird auch eine Mahnung dabei sein. Aber ich bin nicht der Obermahner der Nation.

Standard: Der Oberlehrer?

Fischer: Weder - noch.

Standard: Noch einmal zurück zur Regierung - wirklich freundlich ist der Umgang der beiden Koalitionspartner nicht, vor allem wenn man sich den Umgang mit Bildungsministerin Claudia Schmied anschaut, die vom Koalitionspartner eigentlich stärker in die Kritik genommen wird, als das seitens der Opposition geschieht.

Fischer: Ich beurteile das immer in Relation zu den Alternativen. Wie freundlich, glauben Sie, wäre der Umgang der Parteien miteinander, wenn es eine Minderheitsregierung gäbe? Und wie stabil wäre das? Oder wie freundlich wäre der Umgang, wenn es eine Drei-Parteien-Regierung gäbe? Glauben Sie, dass sich eine solche Regierung durch ein höheres Maß an Harmonie ausgezeichnet hätte als der Umgang zwischen Kanzler Faymann und Vizekanzler Pröll?

Standard: Welches Reformvorhaben der Regierung erscheint Ihnen als besonders drängend? Bildungsreform, Gesundheitsreform, Verwaltungsreform? Die Auswirkungen der Finanzkrise und damit verbunden die Sanierung des Budgets?

Fischer: Sämtliche Themen sind Bestandteil der Regierungserklärung und stehen auf der Tagesordnung. Natürlich sind die Zeitpläne unterschiedlich. Der Kampf gegen die Wirtschaftskrise ist das Dringendste. Etwas, was ich konkret sehe, was wichtig und erfreulich ist, ist die Frage der Mindestsicherung. Ich rechne damit, dass das ab Herbst 2010 zustande kommt.

Standard: Was die Budgetsanierung betrifft, gibt es zwischen den Koalitionsparteien durchaus unterschiedliche Ansätze. Es wird auch die Frage einer höheren Vermögensbesteuerung diskutiert.

Fischer: Zuerst müssen wir in Bezug auf die Krise wirklich über den Berg sein, dann müssen die Zahlen auf den Tisch, dann muss man eine Entscheidung treffen. Vorher stehen Steuererhöhungen - oder auch Senkungen - meines Erachtens nicht zur Diskussion.

Standard: Sind Sie der Meinung, dass der Dritte Nationalratspräsident abwählbar sein sollte?

Fischer: Ich vertrete den Standpunkt, dass das System der Möglichkeit der Abwahl von Spitzenfunktionären im Staat nicht wirklich organisch und nicht gesamthaft gelöst ist. Man kann und soll die Probleme im Zusammenhang mit dem Dritten Nationalratspräsidenten zum Anlass nehmen, Wahl und Abwahl gesamthaft zu regeln, also nicht nur wie jemand in ein Amt gewählt wird, sondern auch in welcher Form und unter welchen Voraussetzungen eine Abwahl möglich ist. Aber eines möchte ich noch anfügen: Die Funktion des Dritten Nationalratspräsidenten wird manchmal zu Unrecht als die viertwichtigste Funktion im Staat bezeichnet. Nach dem Protokoll ist der Dritte Nationalratspräsident nicht einmal die Nummer 30 im Staat.

Standard: Aber trotzdem diskutiert die politisch interessierte Öffentlichkeit sehr intensiv darüber.

Fischer: Das ist mir nicht entgangen. Ich habe Ihnen auch meine Meinung dazu gesagt.

Standard: Gibt es eine Empfehlung Ihrerseits, wie die Regierung bei der Frage der zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten vorgehen soll?

Fischer: Ich bin der Meinung, dass der Artikel 7 des Staatsvertrags zur Gänze erfüllt werden soll. Das ist eine der Aufgaben, die wir haben, weil dies nach Auffassung des Verfassunsgsgerichtshofs noch nicht zur Gänze erfüllt ist.

Standard: Gibt es von Ihnen eine konkretere Empfehlung, wie das umzusetzen ist? Ausständig ist eine Verordnung der Bundesregierung.

Fischer: Leider ist das nicht ganz so einfach. Es gibt mehrere Möglichkeiten, das Problem zu lösen. Und daran muss gearbeitet werden. ( Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.9.2009)