Genetische Stabilität als evolutionäres Risiko: Bäume brauchten in der Vergangenheit bis zu zehnmal länger als andere Pflanzen, um sich auf ein verändertes Klima umzustellen.

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Der Klimawandel ist längst in vollem Gange. Und allmählich lässt sich absehen, welche Gewinner und Verlierer es je nach Region geben wird. In der Arktis etwa dürften jene Arten Schwierigkeiten bekommen, die auf eine Eis- oder Schneedecke angewiesen sind: So sind die Populationen von Eisbären, Mützenrobben oder Pazifischen Walrossen seit einigen Jahren stark rückgängig, wie jüngst erhoben wurde (vgl. Science, Bd. 325, S. 1355).

Um langfristige Folgen des Klimawandels auf Flora und Fauna abzuschätzen, könnte auch ein Blick in die Vergangenheit lohnen. Die US-Forscher Stephen Smith (Duke University) und Jeremy Baeulieu (Yale University) jedenfalls haben genau das getan: Sie untersuchten mehr als 5000 Pflanzenarten hinsichtlich ihrer Anpassungen an vergangene langfristige Klimaveränderungen - und kamen dabei zu einem recht eindeutigen Ergebnis.

Langsame Umstellungen

Bei einem Vergleich zwischen Bäumen und krautigen Pflanzen - also solchen, die nicht verholzen - zeigte sich ein klarer "Verlierer": Bäume benötigten wesentlich länger, um sich auf ein verändertes Klima und neue ökologische Nischen umzustellen, und zwar bis zu zehnmal so langsam wie ihre kleineren und genetisch wesentlich "flexibleren" Kollegen.

Konkret analysierten die Evolutionsbiologen für ihre Studie in den Proceedings of the Royal Society B die evolutionären Veränderungen von fünf Gruppen von Bedecktsamern über 100 Millionen Jahre. Die "hölzernen" Linien drangen zwar auch in all jene Klimaregionen vor wie ihre Verwandten, "sie brauchten dafür aber wesentlich länger", so Stephen Smith.

Die wichtigste Erklärung dafür liegt auf der Hand: "Viele verholzende Pflanzen brauchen mehrere Jahre, um das erste Mal zu blühen, während krautige bloß ein paar Monate benötigen", sagt Jeremy Beaulieu. Wenn es in jeder Generation zu Mutationen kommt, dann würden sich Bäume pro Zeiteinheit entsprechend langsamer verändern und entsprechend länger brauchen, um sich an ein verändertes Klima anzupassen.

Könnte das also bedeuten, dass Wälder früher vom Klimawandel in Mitleidenschaft gezogen werden als andere Ökosysteme? Das ist gut möglich, meinen Smith und Beaulieu, zumal Bäume in den vergangenen Millionen Jahren eben bis zu zehnmal langsamer reagiert haben als die meisten anderen Pflanzen.

"Wenn allerdings der Klimawandel hundertmal schneller verläuft als bisherige Klimaveränderungen", so Smith angesichts der jüngsten Prognosen, "dann könnten alle Pflanzen ernste Probleme bekommen." (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 23.09.2009)