Diese Anzeige auf der Rückseite des aktuellen ITS-Billa-Reisekatalogs bewirbt Direktflüge der Austrian Airlines nach Paris

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Der Spruch "Jedem das Seine" im Eingangstor des Konzentrationslagers Buchenwald vom Inneren des Lagers aus gesehen

REUTERS/Ina Fassbender

"Jedem die Seine"- Mit diesem Sujet bewirbt Austrian Airlines auf dem Reisekatalog "ITS Billa Reisen" Direktflüge nach Paris. Mit dem Wortspiel um Frankreichs Fluss "Seine" im Rahmen einer bundesweiten Kampagne trat Austrian in den Klub jener Unternehmen ein, die in der Vergangenheit mit dem historisch belasteten Spruch "Jedem das Seine" bereits in die Nazi-Falle getappt waren.

Immer wieder verwendet

Entweder ein Beispiel "totaler Geschichtsunkenntnis" oder eine "nicht zu überbietende Geschmacklosigkeit" nannte Salomon Korn, der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, jenen kommunikativen Fauxpas, den sich die Unternehmen Tchibo und Esso im Jänner "geleistet" hatten. Sie hatten an bundesweit 700 Tankstellen Kaffee-Werbeplakate mit dem Slogan "Jedem den Seinen" angebracht.

Die Welle der Empörung brachte damals die überregionale, deutsche Tageszeitung Frankfurter Rundschau ins Rollen - als sie sich erkundigte, warum die neue Kampagne an den im Nationalsozialismus missbrauchten Spruch "Jedem das Seine" erinnere. "Der historische Kontext" der Kampagne sei den Verantwortlichen "nicht bewusst" gewesen - sie wurde sofort gestoppt, Esso und Tchibo entschuldigten sich. Doch der deutschlandweite Skandal war nicht mehr aufzuhalten.

Vor ihnen gab es schon viele, die mit der Verwendung dieser so vielfältig einsetzbaren Redewendung in Erklärungsnöte geraten sind: Nokia, Burger King, die REWE Group, die nordrhein-westfälische Schüler-Union und die Münchner Merkur-Bank mussten schon unter großer öffentlicher Schelte ähnliche Kampagnen zurückziehen.

Spruch im Eingangstor zum KZ

Denn "Jedem das Seine" gehört zu den von den Nazis vereinnahmten und somit wohl für immer unbrauchbar gemachten Idiomen der deutschen Sprache. Die lateinische Entsprechung "suum cuique" findet sich unter anderem in Schriften des römischen Philosophen, Anwalts und Politikers Marcus Tullius Cicero - als Ausdruck für Gerechtigkeit.

Das Rechtsverständnis der Nationalsozialisten war ein anderes: Sie ließen diese Wendung in das Eingangstor des Konzentrationslagers Buchenwald, bei Weimar, einarbeiten. "Jeder bekommt was er verdient" war die zynische Botschaft an 250.000 Gefangene, von denen fast ein Viertel im Konzentrationslager umkam.

Dieses düstere Kapitel der Menschheitsgeschichte war wohl nicht, was die Werbeagentur Jung von Matt im Sinn hatte , als sie eine neue Print-Kampagne für den deutsch-österreichischen Fluglinienbetreiber Austrian Airlines entwarf: "Jedem die Seine" lautet das Sujet, das auf einem ITS-Billa-Reisekatalog sofort ins Auge sticht. Auf den zweiten Blick erkennt man Notre Dame - es geht um die Stadt der Liebe, Paris.

Sujet wird "sofort gestoppt"

Mit "lustigen Wortspielen" habe man Direktflüge in Destinationen wie New York, Dubai oder eben Paris bewerben wollen, erklärt Austrian-Airlines-Pressesprecherin Pia Stradiot: "Dubai sein ist alles" oder "A Big Apple a day" seien zum Beispiel zwei vollkommen unverfängliche Sujets der Kampagne gewesen.

Stradiot zeigte sich entsetzt, als derStandard.at sie darüber informierte, dass zwischen dem Austrian-Sujet "Jedem die Seine" und der von den Nazis missbrauchten Redewendung "Jedem das Seine" möglicherweise eine Verbindung hergestellt werden könnte. Austrian gehe bei seinen Kampagnen "äußerst sensibel" mit den Gefühlen der Menschen um, doch der historische Kontext "war leider weder uns noch unserer Agentur bewusst".

Bei der Gestaltung der Anzeige sei das Spiel mit der französischen Sprache im Vordergrund gestanden: "Wir dachten, dass sofort Notre Dame und die Seine im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen würden", erklärt Stradiot. Offensichtlich könne man jedoch nicht ausschließen, dass dem Betrachter die negative Konnotation der Redewendung in den Sinn komme. Niemals hätte im Licht der historischen Bedeutung Austrian Airlines dieses Sujet Teil der Kampagne gemacht, betonte Stradiot. "Natürlich wird das Sujet sofort gestoppt."

Radatz blieb bei "Jedem das Feine"

Im österreichischen Werberat ist zu der Anzeige von Austrian Airlines noch keine Beschwerde eingegangen - wohl aber zu einem verwandten Sujet des Wiener Wurstwarenherstellers Radatz. Mit der Verwendung des Slogans "Jedem das Feine" für die Bewerbung von Grillwürsten werde "das Andenken an die Leiden der Inhaftierten während der Nazizeit herabgesetzt", schrieb der Beschwerdeführer. Eine Beurteilung durch den Werberat war allerdings nicht möglich, da ihm das entsprechende Sujet nicht vorgelegt wurde.

"Jedem das Seine" sei etwas ganz anderes als "Jedem das Feine", kommentierte Peter Deisenberger, Gründer und Creative Director der zuständigen Agentur Büro 16, das Sujet gegenüber dem Falter am 29. April 2009. "Und nur, weil die Nazis Wörter in einen furchtbaren Kontext gesetzt haben, darf man sich doch die deutsche Sprache nicht aus der Hand nehmen lassen." (Rebecca Sandbichler/derStandard.at, 23.9.2009)