Wien - Mehr als 60 Jahre sind seit Kriegsende vergangen, und endlich sieht es so aus, als würde die Frage der Rehabilitation von Opfern der NS-Justiz abschließend geklärt werden. Zeit dafür wurde es: Nur noch rund 100 Opfer der NS-Justiz sind am Leben.

Grüner Antrag im Ausschuss

Ein entsprechender Antrag der Grünen wird kommende Woche im Justizausschuss behandelt. Aber auch im Justizministerium soll dem Vernehmen nach bereits ein entsprechendes Konzept ausgearbeitet werden, berichtet die APA. Dieses soll die Aufhebung aller Urteile jener Deserteure vorsehen, die nicht nachweislich Kameraden getötet haben. Weiters dürften auch die Urteile gegen Homosexuelle der NS-Zeit erlöschen - und zwar für jene, die sich auch nach derzeit bestehendem Recht nicht strafbar gemacht hätten.

Bisher waren durch das Anerkennungsgesetz 2005 nur Teile der NS-Unrechtsurteile aufgehoben worden. Weder die Urteile der "Gesundheitsgerichte" über die Zwangssterilisationen noch jene der NS-Justiz gegen Homosexuelle waren darunter. Der Grund dafür war, dass Homosexualität auch nach den vor 1938 und Teilen der nach 1945 geltenden österreichischen Gesetze strafbar war.

Streitpunkt "Kameradenmörder"

Bei einer Podiumsdiskussion, an der unter anderem STANDARD-Herausgeber Oscar Bronner teilnahm, wurde gestern in Wien über die Frage der Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren diskutiert. Wolfgang Bogensberger, Sektionschef im Justizministerium, der statt der (verhinderten) Justizministerin Claudia Bandion-Ortner am Podium saß, wollte sich nicht dazu äußern, ob ein entsprechendes Konzept im Justizministerium existiert. Das Ministerium sei jetzt in beratender Rolle tätig, die Umsetzung liege "am Parlament". Bogensberger ließ sich aber ein paar Punkte entlocken, die er als notwendig für eine künftige Regelung sieht. So sprach er sich zwar für eine pauschale Aufhebung aller politischen NS-Urteile aus, plädierte aber für eine Ausnahmeregelung bei "Mischurteilen".

Es sollte, so Bogensberger, also eine Generalklausel geben, die bestimmt, dass alle Urteile, die zur Umsetzung und zum Aufrehterhalten des nationalsozialistischen Regimes dienen, pauschal aufgehoben sind. Bei Mischurteilen, wenn also ein Teil der Verurteilung wegen einer Straftat erfolgte die auch vor oder nach dem Krieg strafbar war, sollte nur der Teil aufgehoben werden, der als "typisch nationalsozialistisches Unrecht" zu werten ist.

Noch kein offizieller Gesetzesentwurf

Für dieses Vorhaben erntete der Ministerialbeamte Unverständnis - die anwesenden Wissenschaftler und Vertreter von Deserteursorganisationen urgierten eine pauschale Aufhebung auch bei Mischurteilen. Ein Zuschauer meinte, die  Ausnahme sei vorauseilender Gehorsam gegenüber denjenigen, die Deserteure als "Kameradenmörder" sehen - wie etwa FPÖ-Chef HC Strache.

Auch wenn allem Anschein nach Bewegung in die Frage gekommen ist - So ganz bestätigen wollte man die Pläne im Justizministerium nicht: Auf Anfrage der APA hieß es, man arbeite "mit Hochdruck" an den Gesetzesentwürfen. Mit dem ÖVP-Klub sollen die Pläne bereits akkordiert sein. Der schwarze Justizsprecher Heribert Donnerbauer war Anfang September noch gegen eine pauschale Aufhebung der Urteile und sorgte für Aufregung, als er meinte: "Desertion ist ein Delikt, das es nach wie vor gibt".

Strache gegen neue Pläne

FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache hält nichts von den angeblichen Plänen des Justizministeriums für eine generelle Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren. Dass nur der Mord an anderen Soldaten ein Ausnahmegrund von der generellen Rehabilitierung sein solle, treffe den Kern der Sache nicht, sagte er am Mittwoch. Auch Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser ist gegen eine solche Differenzierung, da diese den historischen Tatsachen nicht gerecht werde. Steinhauser freut sich aber "grundsätzlich", dass sich ÖVP und SPÖ bei der Rehabilitierung der Deserteure bewegen würden. SPÖ-Justizsprecher Jarolim begrüßt den Ministeriums-Vorschlag, fordert aber nicht nur jene zu rahabilitieren, die nachweislich keinen Kameraden getötet haben, sondern auch jene, die dies im Zusammenhang mit ihrem Widerstand taten. Straftatbestände, die nicht aufgrund der Desertion erfolgt seien, sollte jedoch nicht nach Jarolim nicht gleich "mitgewaschen werden.  (az, derStandard.at, 30.9.2009)