Warschau - Die so genannte Glücksspiel-Affäre könnte sich zum größten Skandal in der Geschichte der rechtsliberalen polnischen Regierungspartei "Bürgerplattform" (PO) ausweiten und die Hegemonie der Partei auf der politischen Landkarte beenden. "Wenn noch mehr solche Affären ans Tageslicht kommen, wird es das Ende der PO als dominierender Partei bedeuten", sagte Wawrzyniec Konarski von der Universität Warschau gegenüber der Zeitung "Gazeta Wyborcza".

Die Vorwürfe gegen den ehemaligen PO-Fraktionsvorsitzenden Zbigniew Chlebowski und den noch amtierenden Sportminister Miroslaw Drzewiecki (PO) führten auch am Freitag zu heftigen Attacken gegen die Partei. Ein Untersuchungsausschuss müsse klären, inwieweit sich die Politiker von Geschäftsleuten aus der Glücksspiel-Branche beeinflussen ließen, sagte der Vorsitzende der Oppositionspartei "Bündnis der demokratischen Linken" (SLD), Grzegorz Napieralski, gegenüber Journalisten.

Tusk genervt

Wie ernst die Lage ist, zeigte auch die unentschlossene Reaktion von Premier Donald Tusk (PO). Nachdem er einen Tag lang geschwiegen hatte, erklärte der Regierungschef am Donnerstagabend zwar, der Fraktionsvorsitzende Chlebowski sei von seinem Amt suspendiert. Über Sportminister Drzewiecki, den er aus dessen Urlaub in den USA zurück beorderte, äußerte er sich aber nicht. Dabei hatte Tusk bisher immer ganz energisch reagiert, wenn auch nur der Anschein von Korruption in den eigenen Reihen entstand.

Am Freitag verließ Tusk schon nach 40 Minuten vorzeitig ein Treffen mit Präsident Lech Kaczynski sowie den Präsidien der beiden Parlamentskammern. "Ihm gehen offensichtlich die Nerven durch", kommentierte dies der Vize-Präsident des Unterhauses (Sejm), Jerzy Szmajdzinski (SLD).

PiS hofft

Auch die Zeitung "Gazeta Wyborcza", die der Regierung nahe steht, geht auf Distanz zur PO. In einem Kommentar fragt sie am Freitag, warum Tusk nicht früher auf die Informationen über Chlebowski und Drzewiecki reagierte, die ihm seit Wochen vorlagen. "Vielleicht rechnete er damit, dass er die Sache vertuschen kann", heißt es in dem Kommentar.

Einen Aufwind durch die Probleme der PO verspricht sich die rechtskonservative Oppositionspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) von Ex-Premier Jaroslaw Kaczynski. Die Polen wählten die PiS 2007 zwar ab, weil sie von deren Politik enttäuscht waren. Von ernsthaften Korruptionsaffären blieb die PiS, die sich bei ihrem Amtsantritt eine neue politische Ethik auf die Fahnen geschrieben hatte, aber verschont.

Ob es sich bei den Vorwürfen gegen die PO-Politiker tatsächlich um Korruption handelt, ist noch nicht geklärt. Die Zeitung "Rzeczpospolita" hatte am Donnerstag das Stenogramm eines Telefonats zwischen Chlebowski und einem Unternehmer veröffentlicht. Darin versprach Chlebowski in kumpelhaftem Ton, ein für die Glücksspiel-Branche ungünstiges Gesetz zu blockieren. Auch Sportminister Drzewiecki hatte nach Zeitungsinformationen privaten Kontakt zu Geschäftsleuten aus der Branche und betrieb die Blockierung des Gesetzes. (APA)