"Es gibt keinen Plan B", erklärten Vertreter der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft noch am Tag vor dem zweiten Referendum über den EU-Vertrag von Lissabon für den Fall, dass dieses Votum neuerlich mit Nein ausgehen sollte. Soll heißen: Über den möglichen institutionellen GAU der Union spricht man nicht.

Auf einen solchen Fall bereitet man sich in aller Ruhe vor. Jenseits der Sprachregelung steht zumindest vom Procedere her längst fest, was dann geschieht. "Zuerst einmal ist der EU-Vertrag von Lissabon dann tot" , erläuterte ein Diplomat das Unaussprechliche. Es blieben Veto-Rechte einzelner Länder im Ministerrat bestehen, die Mehrheitsabstimmung als Prinzip käme nicht. Denn es werde dann keinen weiteren Anlauf zur Rettung des Vertrages mehr geben können, wie das nach dem ersten irischen Nein im Jahr 2008 geschehen ist.

Das bedeutet auch, dass die Zugeständnisse an die Iren (und alle anderen kleinen EU-Länder) ebenfalls obsolet sind. Konkret: Die Vereinbarung, dass jedes Land seinen eigenen EU-Kommissar behalten kann, gilt dann nicht mehr. Zunächst einmal würde der schwedische Premierminister und EU-Ratsvorsitzende Fredrik Reinfeldt sofort einen Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel einberufen.

Diese müssen dann entscheiden, wie es in der Union weitergeht - vor allem bei der anstehenden Neubesetzung der EU-Kommission.

Rechtlich ist das einfach: Es bliebe weiter der EU-Vertrag von Nizza aus dem Jahr 2000 in Geltung, der noch vor der großen Erweiterung im Jahr 2004 gemacht wurde. Er sieht vor, dass die Zahl der EU-Kommissare auf 26 (oder weniger) reduziert wird, sobald die Union 27 Mitgliedsländer hat. Das ist seit dem Jahr 2007 (Rumänien, Bulgarien) der Fall.

Das bedeutet, dass (mindestens) ein Land auf ein Kommissarsamt verzichten müsste. Wahrscheinlicher ist aber, dass die großen EU-Länder überhaupt einen radikalen Schnitt verlangen und auf die Pläne von Nizza zurückkommen, die EU-Kommission auf zirka 18 Mitglieder zu verkleinern. Zittern müssen die Beitrittswerber Kroatien und Island. Ohne Vertrag von Lissabon keine Erweiterung, darauf hat sich Paris festgelegt. (Thomas Mayer aus Göteborg/DER STANDARD, Printausgabe, 2.10.2009)