Russische Künstler beeindrucken bei der Moskauer Biennale. So wie Aleksej Kallima, der mit Zigaretten und Schachteln der Marke "Sojus-Apollo" das historische Weltraum-Rendezvous nachstellt.

Foto: H. Höller

Ende September zeigte die Moskauer Kunstszene wieder einmal so richtig, was sie so kann. Denn zusätzlich zur Kunstmesse Art Moskva, die krisenbedingt in den Herbst verschoben worden war, eröffnete Ausgabe drei der Moskauer Kunstbiennale. Während die Messe angesichts eines zusammenbrechenden Kunstmarkts einen historischen Tiefpunkt erlebte, ließ sich die Biennale nichts anmerken.

Vor einigen Jahren als Ausdrucksform eines neuen russischen Selbstbewusstseins konzipiert, blieb die Biennale ihrer Mission treu. Dank einer frühzeitig gesicherten Finanzierung durch den Staat gab es ein weiteres Mal ein gigantomanisches Kunstaufgebot.

Das gilt insbesondere für den zentralen Ausstellungsort "Garasch" , dem neuen Kulturzentrum von Darja Schukowa, der Freundin von Oligarch Roman Abramowitsch. In der ehemaligen Busgarage, die als ein Meisterwerk des russischen Konstruktivismus gilt, durfte sich der prominente französische Kurator Jean-Hubert Martin auf tausenden Quadratmetern austoben.

In 80 Positionen präsentiert er die beachtliche Leistungsschau "Gegen Ausschluss" , die sich schwerpunktmäßig mit Randgruppen beschäftigt. Sei es ein Unbekannter von der Straße, den der Kroate Braco Dimitrijević überdimensional im Eingangsbereich zeigt, oder die bekannte Installation der Chinesen Peng Yu und Sun Yuan, die in Rollstühlen Diktatorengreise kreisen lassen.

Beeindruckende Beiträge

Hinzu kommen Werke wie etwa eine riesige Wachsskulptur von Anish Kapoor und auch zahlreiche russische Beiträge, die unter den großen internationalen Kunstwerken gar keinen schlechten Eindruck machen: So wie AES+F, die provokante Fotoinszenierungen präsentieren, in denen Tote als Models fungieren, oder Architekturkünstler Aleksandr Brodskij, der einen kleinen Glaspalast in Mülltonnen installiert hat.

Martins Projekt ist aber nur ein Teil der Biennale. Hinzu kommen acht Personalen, 39 Sonderprojekte und gezählte 63 Ausstellungen, die im Parallelprogramm laufen. Nur drei der zahlreichen Highlights: Das Museum für Zeitgenössische Kunst der russischen Kunstakademie zeigt eine großangelegte Retrospektive der legendären Künstlergruppe "Kunst oder Tod" , die in den 80er-Jahren einen unverkennbar trashigen Malstil entwickelte. Vertreter der Gruppe wie Awdej Ter-Oganjan und Walerij Koschljakow sorgten später in den Neunzigern auch in Moskau für Furore.

Galerist Marat Gelman präsentiert in der stillgelegten Schokoladenfabrik "Roter Oktober" die sensationelle Gruppenausstellung "Das russische Arme" , die sich mit augenzwinkernd-armseligen Mitteln um die Abbildung von russischen Wirklichkeiten bemüht. Diese Schau ist auch der Grundstock eines neuen Museums für zeitgenössische Kunst, das der Galerist in der Stadt Perm leitet.

An die hundert Biennale-Ausstellungseröffnungen innerhalb weniger Tage brachten das kunstinteressierte Moskauer Publikum an den Rand der Erschöpfung. In dieser Form womöglich ein letztes Mal für längere Zeit. Denn der krisenbedingt schrumpfende Staatshaushalt dürfte sich 2011 auch massiv im Budget der nächsten Biennale niederschlagen. (Herwig Höller aus Moskau, DER STANDARD/Printausgabe 12.10.2009)