Wien - EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat der Bundesregierung bei informellen Gesprächen angeboten, dass Österreich unter Umständen einen Kandidaten für das Amt des EU-Agrarressorts nominieren kann. Die ÖVP, die gemäß Koalitionsabkommen auf ihr Nominierungsrecht pocht, möchte dafür Ex-Vizekanzler Wilhelm Molterer aufstellen, der als früherer Agrar- und Umweltminister qualifiziert wäre.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) lehnt dies nach Informationen des Standard jedoch ab. Er würde es lieber sehen, wenn mit Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner eine Frau Kommissarin bliebe. Barroso hätte dagegen prinzipiell nichts einzuwenden. Laut EU-Recht obliegt es den Regierungen, die Kandidaten zu nominieren, der Kommissionschef verteilt die Zuständigkeiten. Barroso hat Faymann signalisiert, dass bei einem Verbleib Ferrero-Waldners ein weniger einflussreiches Amt infrage käme.

Faymann ließ am Abend dementieren, dass er Molterer als Agrarkommissar ablehne: Mit Barroso sei "nie über Ressorts gesprochen worden. Barroso sagte, er wünsche sich eine Frau für den Posten. Und er will nicht in die Entscheidung eines Landes eingreifen" , sagte Kanzlersprecherin Angelika Feigl.

In der Zeit im Bild sprach sich Faymann ebenfalls für Ferrero-Waldner aus. Sie habe "unser Land aus meiner Sicht immer gut vertreten", so Faymann. Aus Faymanns Büro heißt es, dass ein Vorschlag für die EU-Kommission in "zwei bis drei Wochen" stehen könnte. Sollte Österreich aber das Agrar-Ressort erhalten, wäre der frühere Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm Molterer "ein guter Kandidat".

ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf zeigte sich in der "Zeit im Bild" wenig beeindruckt von Faymanns Vorliebe für Ferrero-Waldner: Diese sei eine "ausgewiesene Außenpolitikerin", aber ihr jetziges Ressort werde es eben künftig "in dieser Form nicht mehr geben".

Barroso eröffnete Freitag das Europa-Haus in Wien: Faymann fehlte. ÖVP-Chef Pröll, der laut einer Koalitionsvereinbarung das Nominierungsrecht für seine Partei beanspruchen kann, möchte seinen Vorgänger Wilhelm Molterer nominieren, der als Nachfolger Fischlers zwischen 1995 und 2003 das Amt des Landwirtschafts- und Umweltministers bekleidete. Die gemeinsame Agrarpolitik macht mit mehr als 50 Milliarden Euro fast die Hälfte des EU-Budgets aus. Nach der Amtszeit Franz Fischlers von 1995 und 2004 würde das Agrardossier damit zum zweiten Mal einem Österreicher zufallen. Deutschland als Schlüsselland bei der Verteilung der wichtigsten EU-Posten unterstützt diesen Vorschlag offenbar.

Titel oder Mittel

Faymann hat andere Vorstellungen. Er machte sich gegenüber Barroso in den informellen Gesprächen für die Wiederernennung von Benita Ferrero-Waldner (VP) in neuer Funktion stark. Der Kommissionspräsident, der seine Außenkommissarin persönlich sehr schätzt, hätte gegen sie wie auch gegen Molterer nichts einzuwenden. Im Gegenteil, er soll angedeutet haben, dass Ferrero-Waldner bei einem Verbleib als eine seiner Vizepräsidentinnen denkbar wäre - allerdings mit einem wenig einflussreichen Fachdossier. Die Agenden der Außenkommissarin wandern ja zum neuen "EU-Außenminister" . Pröll wollte sich auf Anfrage dazu nicht direkt äußern. Er besteht aber darauf, dass er den Namensvorschlag machen wird.

Barroso ließ vor Journalisten aufhorchen, indem er betonte, dass "es jetzt an der Regierung liegt, einen Namen zu nennen. Zuerst muss das betreffende Land entscheiden, wen es nominiert" . Erst dann könne er darangehen, "ein Portfolio" der Zuständigkeit an den Kommissars zu verteilen. (tom, DER STANDARD, Printausgabe, 17./18.10.2009, APA)